Der Glaube: Sein Wesen und seine Charakteristika II
Nun wollen wir kurz die verschiedenen Aspekte und Bedingungen desselben untersuchen.
1. Allâh hat uns in zweierlei Hinsicht einer sehr schwerwiegenden Prüfung unterworfen:
a) Er hat dem Menschen freie Willensentscheidung mitgegeben, doch selbst nachdem Er ihm diese Freiheit eingeräumt hat, möchte Er sehen, ob der Mensch seine tatsächliche Lage erkennt oder nicht, ob er aufrichtig und standhaft bleibt und seinem Herrn gegenüber Redlichkeit und Treue beibehält, oder ob er den Kopf verliert und sich gegen seinen eigenen Schöpfer auflehnt, ob er sich edelmütig verhält oder sämtliche Regeln des Anstands mit Füβen tritt.
b) Er möchte sehen, ob der Mensch bereit ist, so viel Vertrauen in Allâh zu setzen, dass er sein Leben und seinen Besitz hingibt für das, was nichts anderes als ein Versprechen ist, das erst in der künftigen Welt Form annehmen wird und ob er bereit ist, seine Unabhängigkeit und all die Annehmlichkeiten aufzugeben, die damit zusammenhängen, im Tausch gegen ein Versprechen für die Zukunft.
2. Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des islâmischen Rechts, dass der Glaube (Imân) in der Befolgung einer gewissen Anordnung von Lehren besteht und dass der, der an diese Lehren glaubt, ein Mu’min (ein Gläubiger) wird. Niemand hat das Recht, einen solchen Menschen als nicht-Gläubigen zu bezeichnen oder ihn aus dem Kreis der Umma (der Gemeinde) auszuschlieβen, es sei denn, es gäbe einen eindeutigen Beweis für die Unrichtigkeit des Glaubens oder die Abwendung von ihm. Dies ist der gesetzliche Aspekt des Problems.
Doch in den Augen Allâhs ist nur der Imân wertvoll, der in der vollkommenen Unterwerfung des eigenen Willens und der eigenen freien Wahl unter den Willen Allâhs besteht. Es ist ein Zustand des Denkens und der Tat, in dem der Mensch sich völlig Allâh unterwirft und auf jeglichen Anspruch auf seine eigene Oberherrschaft verzichtet. Es ist etwas, das vom Herzen kommt. Es ist eine Geisteshaltung, und es bereitet den Menschen auf eine bestimmte Handlungsweise vor.
Wenn jemand die Kalima ablegt, in den Vertrag eintritt und auch wenn er dann seine Gebete verrichtet und andere gottesdienstliche Handlungen vollbringt, sichselbst aber im Herzen als den Eigentümer seiner körperlichen und geistigen Kräfte und seiner moralischen und materiellen Mittel betrachtet und meint, uneingeschränkt über sie verfügen zu können, dann wird er in den Augen Gottes zu einem Ungläubigen, gleichgültig für was für einen groβartigen Mu’min die Menschen ihn auch halten mögen. Denn er ist in Wirklichkeit nicht wirklich den Handel eingegangen, der nach dem Qurân das Wesen des Imân ausmacht. Gebraucht ein Mensch seine Kräfte und Fähigkeiten nicht in der ihm von Allâh vorgeschriebenen Weise und verwendet er sie stattdessen für von Gott verbotene Beschäftigungen, so zeigt das deutlich, dass er entweder sein Leben und seinen Besitz nicht Gott verpfändet hat, oder aber, dass er, selbst nachdem er sie Ihm verpfändet hat, sein Gelöbnis durch sein Verhalten zunichte macht.
Diese Charakteristika des Imân unterscheiden die islâmische Lebensweise von der unislâmischen, ja, machen sie eigentlich zu deren genauem Gegenteil. Ein Muslim, der wahrhaft an Gott glaubt, unterwirft sich in jeder Hinsicht dem Willen Gottes. Sein ganzes Dasein ist getragen von Gehorsam und Ergebung, nie benimmt er sich anmaβend oder selbstherrlich, es sei denn aus augenblicklicher Unachtsamkeit. Nach einem solchen Fehlerverhalten wendet er sich - sobald er sich dessen bewusst wird - wieder seinem Herrn zu und bereut seinen Irrtum aufrichtig. Ebenso kann eine Gruppe von Menschen oder eine Gesellschaft, die aus echten Muslimen besteht, niemals vom Gesetz Gottes abfallen.
Ihre politische Ordnung, ihre soziale Organisation, ihre Kultur, ihre Wirtschaftspolitik, ihre Gesetzesordnung und ihr Vorgehen auf internationaler Ebene müssen samt und sonders mit den von Gott offenbarten Anweisungen übereinstimmen und dürfen in keinerlei Widerspruch dazu stehen. Und wenn je durch einen Irrtum oder eine Unterlassung eine Zuwiderhandlung begangen wurde, müssen sie diese, sobald es ihnen klar wird, unverzüglich korrigieren und fortan zum Zustand der Unterordnung unter das Gesetz Gottes zurückkehren. Es ist Art der Ungläubigen, sich an Gottes Leitung nicht gebunden zu fühlen und sich so zu benehmen, als ob sie ihr eigener Herr seien. Wer immer einen solchen Weg einschlägt, schreitet auf dem Pfad des Bösen und folgt den Bahnen der Ungläubigen, selbst wenn er einen Namen trägt wie ein Muslim.
Das, was bisher gesagt wurde, macht deutlich, dass die Anfänge des Islâm in der Darlegung der genauen Richtlinien liegen, auf denen die menschliche Beziehung zu Gott errichtet werden soll; sein ganzes individuelles und soziales Leben ist eineÜbung, die darauf ausgerichtet ist, dieses Verhältnis zu entwickeln und zu stärken. Imân (Glaube), der Kernpunkt unserer Religion, besteht aus der Anerkennung dieser Beziehung durch den menschlichen Intellekt und Willen, und der Islâm ist die tatsächliche Unterwerfung, die Art und Weise, sich dem Willen Gottes in allen Lebens- und Verhaltensbereichen zu fügen. Jetzt sind wir in der Lage, einen Blick auf die Lebensgestaltung zu werfen, die der Islâm anstrebt.
Diese Lebensgestaltung, der Verhaltenskodex, ist als die Scharî’a bekannt. Ihre Quellen sind der Qurân und die Sunna (die Überlieferung der Worte und Taten) des Propheten .
Das letzte Buch Gottes und der letzte Gesandte stellen heute die Wahrer dieser Wahrheit dar, und sie fordern die gesamte Menschheit auf, die Wahrheit anzuerkennen. Gott, der Allmächtige, verlieh dem Menschen im ethischen Bereich freien Willen, und auf diesen freien Willen bezieht sich die Aufforderung, die Wahrheit anzuerkennen. Diese Anerkennung ist folglich immer ein Akt des Wollens und nicht des Zwangs.
Es ist jedem, der zustimmt, dass das vom Propheten und vom Heiligen Buch dargelegte Konzept der Wirklichkeit wahr ist, selbst überlassen, den weiteren Schritt zu tun und seinen Willen dem Willen Gottes zu unterwerfen.
Es ist diese Unterwerfung, die man IsIâm nennt. Durch sie trägt der Glaube (Imân) im gegenwärtigen Leben Früchte. Diejenigen aber, die solches tun, heißen Muslime, weil sie aus ihrem freien Willen heraus Gott als ihren Herrscher anerkennen, sich in Seinen göttlichen Willen ergeben und sich dazu verpflichten, ihr Leben in Übereinstimmung mit Seinen Geboten zu gestalten.
All die Menschen, die sich so dem Willen Gottes fügen, werden zu einer Gemeinschaft zusammengeschweißt, und auf diese Weise entsteht die (muslimische Gesellschaft). Es ist also eine ideologische Gesellschaft, eine Gesellschaft, die sich grundlegend von den auf Rassenzugehörigkeit, Territorium oder Hautfarbe begründeten Gesellschaften unterscheidet. Diese Gesellschaft ist das Ergebnis eines zwischen den Menschen und ihrem Schöpfer bestehenden “Vertrages”. Diejenigen, die diesem Vertrag beitreten, verpflichten sich, Gott als ihren Herrscher anzuerkennen, Seine Rechtleitung als Höchste Instanz und Seine Gebote als absolutes Gesetz.
Sie verpflichten sich ebenfalls, Seine Einteilung in Gut und Böse, Recht und Unrecht, Erlaubtes und Verbotenes ohne zu fragen und ohne jeglichen Zweifel anzuerkennen. Kurz, die islâmische Gesellschaft erklärt sich damit einverstanden, ihr Wollen auf die von Gott, dem Allwissenden, vorgeschriebenen Grenzen zu beschränken.
Mit anderen Worten, es ist Gottes, und nicht des Menschen Wille, der in einer muslimischen Gesellschaft die ursprüngliche Gesetzesquelle darstellt.
Wenn eine solche Gesellschaft entsteht, dann schreiben ihr die Propheten und die Bücher ein Gesetz zur Lebensgestaltung vor, nämlich die Scharî’a. Die Gesellschaft ist dann aufgrund des von ihr eingegangenen Vertrages verpflichtet, sich diesem Gesetz entsprechend zu verhalten. Es ist darum undenkbar, dass eine muslimische Gesellschaft, die diesen Namen verdient, absichtlich eine andere Lebensordnung als die Scharî’a annehmen könnte. Tut sie es, ist ihr Vertrag ipso facto gebrochen, so dass die gesamte Gesellschaft “unislâmisch” wird.
Wir müssen jedoch zwischen den alltäglichen Sünden oder Übertretungen der einzelnen und einer absichtlichen Auflehnung gegen die Scharî’a einen deutlichen Unterschied machen. Erstere mögen keinen Vertragsbruch darstellen, während das letztere nichts anderes als dies bedeuten würde. Der Punkt, der hier klar verstanden werden sollte, ist, dass eine islâmische Gesellschaft, die sich bewusst entscheidet, die Scharî’a nicht anzuerkennen und beschließt, ihre eigenen Gesetze in Kraft treten zu lassen, oder sie in völliger Missachtung der Scharî’a aus irgendeiner anderen Quelle entlehnt, dadurch ihren Vertrag mit Gott bricht und ihr Recht, “ islâmisch” genannt zu werden, verwirkt.
Die Ziele und Charakteristika dieser Lebensgestaltung
Wir wollen uns nun bemühen, die von der Scharî’a ins Auge gefasste Lebensgestaltung verstehen zu lernen. Dazu ist es notwendig, dass wir mit einer klaren Darlegung der Ziele und Grundbegriffe der Scharî’a beginnen.
Das oberste Ziel der Scharî’a besteht darin, das menschliche Leben auf der Basis von Ma’rûfât zu errichten und es von den Munkarât zu reinigen. Der Begriff Ma’rûfat bezeichnet alle Tugenden und alle guten Eigenschaften, die vom menschlichen Gewissen von jeher als ‘gut’ anerkannt wurden. Umgekehrt bezeichnet das Wort Munkarât alle Sünden und Übel, die von der menschlichen Natur schon immer als “schlecht” verurteilt wurden.
Kurz, die Ma‘rûfât stehen im Einklang mit der menschlichen Natur und ihren allgemeinen Bedürfnissen und die Munkarât tun genau das Gegenteil. Die Scharî’a gibt einen klaren Überblick über diese Ma’rûfât und Munkarât und bezeichnet sie als die Normen, denen das individuelle und gemeinschaftliche Verhalten entsprechen sollte.
Die Scharî’a beschränkt ihre Aufgabe jedoch nicht darauf, uns nur mit einer Aufzählung von Tugenden und Lastern zu versehen; sie legt die gesamte Lebensgestaltung in solcher Weise fest, dass die Tugenden blühen und die Laster das menschliche Leben nicht besudeln und zerstören können. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Scharî’a in ihre Anweisungen all jene Faktoren aufgenommen, die das Anwachsen des Guten fördern und Schritte zur Beseitigung von Hindernissen empfohlen, die sein Wachstum und seine Entfaltung hemmen könnten.
Dadurch ist eine zusätzliche Reihe von Ma’rûfât entstanden, die aus den Ursachen und Mittein bestehen, durch die das Gute motiviert und genährt wird, sowie eine weitere Reihe von Ma’rûfât die sich aus Geboten zusammensetzt, durch die Dinge untersagt werden, die sich hemmend oder verhindernd auf das Gute auswirken könnten. Ebenso gibt es eine zusätzliche Anzahl von Munkarât, die ein Anwachsen des Schlechten fördern oder zulassen könnten.
Die Scharî’a formt die islâmische Gesellschaft auf eine solche Weise, dass es einem ungehinderten Anwachsen des Guten, der Tugenden und der Wahrhaftigkeit in jedem Bereich menschlichen Handelns dienlich ist, und sie gewährt den Kräften des Guten in jeder Hinsicht größtmöglichen Spielraum. Gleichzeitig entfernt sie alle Hindernisse aus dem Pfad der Tugend. Dabei versucht sie, das Schlechte in ihrem sozialen Verhaltensschema auszurotten, indem sie das Laster verbietet, die Ursachen seines Auftretens und Anwachsens aus dem Weg räumt, die Hintertüren zu schließen trachtet, durch die es sich in eine Gesellschaft einschleicht und abschreckende Maßnahmen ergreift, um sein Auftauchen in Schach zu halten.
Ma’rûfât und Munkarât
Ma’rûfât: Die Scharî’a unterscheidet bei den Ma’rûfât drei Kategorien: Das Obligatorische (Fard und Wâdschib), das Empfohlene (Matlûb / Mustahabb) und das Zulässige (Mubâh). Eine muslimische Gesellschaft muss darauf achten, dass die unerläßlichen Pflichten, (Ma’rûfât), eingehalten werden, und in der Scharî’a gibt es hierüber klare und bindende Richtlinien. Die empfohlenen Pflichten (Matlûb) sind solche, die die Scharî’a in einer muslimischen Gesellschaft eingehalten und praktiziert sehen möchte.
Einige davon werden eindeutig von uns verlangt, während andere uns durch Folgerung und Ableitung von dem, was der Prophet gesagt hat, nahegelegt worden sind. Abgesehen davon wurden in der von der Scharî’a dargelegten Lebensordnung besondere Vorkehrungen für deren Wachstum und die Förderung einiger von ihnen getroffen. Andere wiederum werden einfach von der Scharî’a empfohlen, wobei es der Gesellschaft oder dem einzelnen besonders Rechtschaffenen überlassen bleibt, sich ihrer Förderung anzunehmen.
Bleibt noch das Zulässige, (Mubâh). Genau genommen gehört nach der Scharî’a alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, zu den zulässigen Ma’rûfât, das heißt, zu den Mubâh. Es ist keineswegs notwendig, dass sie uns ausdrücklich erlaubt oder ausdrücklich unserer Wahl anheimgestellt werden. Folglich ist der Bereich der zulässigen Ma’rûfât sehr weit gespannt, so weit, dass für einen Muslim alles, außer dem, was in der Scharî’a eigens verboten wurde, erlaubt ist. Und das ist genau der Bereich, in dem uns freie Hand gewährt wurde und wir nach eigenem Ermessen Gesetze erlassen können, um den Bedürfnissen und Gegebenheiten unserer Zeit zu entsprechen – natürlich in (Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Schari’a.
Munkarât: Die Munkarât (oder die im Islâm verbotenen Dinge) sind in zwei Kategorien unterteilt: Harâm. das heißt, Dinge, die unter allen Umständen verboten sind, und Makrûh, das heißt, Dinge, die lediglich unerwünscht sind. Durch klare, unumgängliche Anweisungen ist dem Muslim auferlegt, sich all dessen, was für Harâm erklärt wurde, vollkommen zu enthalten. Die Abneigung gegen die Makrûhât wird in der Scharî’a auf die eine oder andere Weise deutlich, das heißt, entweder ausdrücklich oder sie ergibt sich durch stillschweigende Folgerungen, wobei der Grad der Abneigung entsprechend angezeigt ist. So gibt es zum Beispiel einige ans Verbotene grenzende Makrûhât, während andere in der Nähe des Zulässigen liegen. Natürlich gibt es eine große Zahl von Makrûhât, deren Reichweite sich zwischen den beiden Extremen des Verbotenen und des Erlaubten bewegt. Darüber hinaus werden in einigen Fällen in der Scharî’a ausdrücklich Maßnahmen zur Verhinderung der Makrûhât vorgeschrieben, während solche Vorkehrungen in anderen Dingen dem Ermessen der Gesellschaft oder dem Einzelnen überlassen bleiben.
Einige Wesentliche Merkmale derislamischen Weltanschauung
Die Scharî’a schreibt also Richtlinien für die Regelung sowohl unseres individuellen wie auch unseres gemeinschaftlichen Lebens vor. Diese Richtlinien befassen sich mit so verschiedenen Bereichen wie den religiösen Riten, den persönlichen Charaktereigenschaften, der Sittenlehre, den Gewohnheiten, den familiären Verhältnissen, mit sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, Verwaltung, den Rechten und Pflichten der Bürger, mit der Rechtssprechung und den Gesetzen für Krieg und Frieden und internationale Beziehungen. Kurz, sie umfasst all die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens.
Diese Richtlinien zeigen auf, was gut und schlecht, was vorteilhaft und nützlich und was nachteilig und schädlich ist; welches die Tugenden sind, die wir pflegen und fordern sollten und welches die Übel, die wir unterdrücken und gegen die wir uns vorsehen müssen: wie weit sich der Bereich der freien Willensentscheidung anheimgestellten persönlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten erstreckt und wo seine Grenzen liegen; und schließlich, welcher Mittel und Wege wir uns bedienen können, um eine dynamische Gesellschaftsordnung zu errichten, und welche Methoden wir vermeiden sollten. Die Scharî’a stellt eine vollständige Lehensauffassung dar – nichts daran ist überflüssig, nichts fehlt.
Ein weiterer bemerkenswerter Zug der Scharî’a ist, daß sie ein organisches Ganzes ist. Die gesamte Lehensordnung. die der Islâm vorzeichnet, wird durch denselben Geist belebt und somit muss jede unangebrachte Teilung des Ganzen ebenso dem Geist wie dem Aufbau der islâmischen Ordnung schaden. In dieser Beziehung könnte man sie mit dem menschlichen Körper vergleichen, der ein organisches Ganzes bildet. Ein vom Körper abgetrenntes Bein kann man nicht als ein Achtel oder ein Sechstel des Menschen bezeichnen, weil das Bein nach seiner Abtrennung vom lebenden menschlichen Körper seine menschliche Funktion nicht mehr ausfüllen kann. Noch lässt es sich in den Körper eines anderen Lebewesens einsetzen in der Erwartung, dieses werde dem Ausmaß des Gliedes gemäß menschlich. Ebenso können wir uns keine richtige Meinung über die Nützlichkeit, Leistungsfähigkeit und Schönheit der Hand, des Auges oder der Nase eines Menschen bilden, wenn sie vom Körper getrennt sind, ohne ihre Stelle und Funktion im lebenden Körper zu betrachten.
Genau das kann man in Bezug auf die Lebensordnung sagen, die von der Scharî’a angestrebt wird. Islâm bedeutet die gesamte Lebensweise, nicht nur einen gesonderten Teil oder Teile davon. Folglich ist es weder sinnvoll, die verschiedenen Teile der Scharî’a voneinander getrennt zu betrachten und ohne Bezug auf das Ganze, noch hat es irgendeinen Zweck, einen beliebigen Teil herauszugreifen und ihn mit einem anderen “ismus” gleichzusetzen. Die Scharî’a kann nur dann reibungslos funktionieren und nur dann ihre Anwendbarkeit unter Beweis stellen, wenn die gesamte Lebensweise in Übereinstimmung mit ihren Geboten ausgerichtet wird – anders geht es nicht.