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Hagar, Ex-Christin, Brasilien


“"Sind solche, die wissen, denen gleich, die nicht wissen?"


Allein nur diejenigen lassen sich warnen, die verständig


sind.” (Quran 39:9)


Dies waren die ersten Worte vom Qur´an, die mich berührten. Und als ich sie


las, konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ich fragte mich, was sollte


ich wirklich wissen, um in der Lage zu sein, zu verstehen? Was ist eigentlich


Wissen?


Was nützt es, Bücher zu lesen und Theorien, Philosophien und Denkweisen zu


studieren, wenn wir am Ende immer noch nicht den Sinn unserer Existenz


herausgefunden haben? Westliche Antworten auf dieses Dilemma haben mich


frustriert, beunruhigt, hoffnungslos und zum Schluss depressiv gemacht.


Zu jener Zeit konnte ich weder an Gott glauben, noch zu Ihm beten. Wie ich


dieses Stadium erreicht hatte, bin ich mir nicht ganz sicher. An einem Tag war ich


Gottesgläubig (ich war Christ – Protestant) gewesen und am nächsten Tag schien


mir allein der Gedanke daran, über die Existenz Gottes, des Schöpfers,


nachzudenken, Unsinn zu sein.


Ich pflegte jeden Tag ein Stück im Alten oder Neuen Testament zu lesen und


es auch zu studieren. Ich fand schöne Worte, aber sie waren praktisch


unbrauchbar, denn keiner, den ich kenne, lebte danach.


Nach der Beobachtung wie Menschen auf dieser ganzen Welt leben, wie die


Dinge geschehen, wie Geschäfte und Vereinbarungen abgeschlossen werden, wie


manche den anderen überlegen waren, schlussfolgerte ich, dass dies eine sehr


ungerechte und unfaire Welt ist. Die Worte der Bibel, so schön sie auch sein


mögen, waren nicht mehr als eine Intervention des Menschen.


Religion war nichts weiter als ein Mittel, um die armen und unterdrückten


Menschen ruhig zu halten, zufrieden und unterwürfig, wie Rinder. Sie war das


Opium des Lebens.


Ich dachte: „Wenn es einen Gott gibt, dann ist Er zynisch und unfair. Ich


mache keine Geschäfte mit unfairen Leuten, und ich werde schon gar keine


Geschäfte mit einem unfairen Gott machen.”


Ich wünschte, ich hätte nie gelernt zu lesen und ich wäre wie andere Leute um


mich herum. Arbeiten gehen, nach Hause kommen, fernsehen (und alles


akzeptieren, was dort gesagt wird), Sidney Sheldon lesen, Klamotten kaufen,


etc. Ich dachte, ich könnte glücklich auf diese Art leben. Aber ich war auf einem


Pfad ohne Wiederkehr. Nach allem, was ich gesehen hatte, fand ich keinen Grund


mehr, am Leben zu bleiben.


Ich hörte damit auf, nach den verschiedenen Möglichkeiten zu schauen, wie


die Schöpfung vonstatten gegangen sein könnte und setzte mir in den Kopf, die


ganze Welt sei ´zufällig´ entstanden. Als ich mich in diesem Zustand befand, war


ich immer noch sehr erschüttert wegen der ganzen Ungerechtigkeiten, die in der


Welt geschehen; ich entschloss mich eine Minderheit zu verteidigen. So kam es,


dass ich Muslime auswählte und anfing, über den Islam zu lernen. Ich hatte nie


zuvor vom Islam gehört, aber ich war neugierig, zu erfahren, wer diese


´Terroristen´ waren, wie sie im Westen so oft genannt werden. Ich wusste, wenn


das Fernsehen sie als schlecht zeigte, dann war es notwendig, nachzuforschen,


denn irgendetwas wird da verborgen.


Ich wusste, die einzige Art, wie ich etwas über den Islam lernen konnte, war


mit Muslimen in Kontakt zu treten. In Brasilien, in meinem Land, haben wir nicht


so viele Gemeinschaften. Da ging ich ins Internet und traf viele in Chatrooms.


Ein junger saudische Muslim erzählte mir von Nizar Qabbani, und ich forschte


nach ihm, da fand ich ein Gedicht mit dem Titel: “I am with Terrorism”. Der


Dichter zitiert viele Ereignisse und Orte, die mir völlig unbekannt waren und mir


wurde klar, wie unwissend ich war ich von irgendwelchen dieser Tatsachen


gehört.


Eines Tages chattete ich mit einem Chat-Freund, und er zeigte mir eine Seite,


wo ich den Qur´an lesen konnte. Ich öffnete sie und wählte zufällig eine Sura (ein


Kapitel) zum Lesen aus.


Der Titel war auf arabisch, und ich fragte ihn nach der englischen Bedeutung


und er sagte mir, es sei „der Tag des Gerichts“. Ich erinnere mich daran, dass er


mich fragte, warum ich gerade dieses Kapitel ausgewählt habe?


Ich weiß noch, dass ich ihm darauf antwortete, wenn es einen Gott gibt und


wenn Er Allwissend, Allgegenwärtig, Allmächtig ist, dann weiß Er, dass Worte


über Bestrafung mich nicht beeindrucken werden. Statt dessen suche ich nach


Worten der Hoffnung, vernünftigen und effektiven Worten der Hoffnung.


Zu jener Zeit erinnere ich mich, dass ich jede Nacht denselben Wunsch hatte:


ich wünschte mir, am Morgen nicht aufstehen zu können. Aber am nächsten Tag


wurden meine Augen wieder geöffnet. Es erreichte ein unerträgliches Ausmaß.


Ich verließ Brasilien und kam nach Deutschland.


An einem Tag war ich richtig verzweifelt. Ich machte die rituelle Waschung,


wie ich gelesen habe, dass die Muslime sie machen, ich warf mich auf die Art und


Weise nieder, wie ich es von den Muslimen kannte und sagte: „Gott wenn Du


wirklich da bist, erlöse mich von dieser Situation. Zeige mir den Weg.“


Al-hamdu llilah (Aller Lobpreis gebührt Allah). Er tat es. Ich verspürte so


großen Frieden in meinem Herzen.


In meinem Deutschkurs gab es ein paar muslimischen Schwestern, die ich um


Bücher über den Islam bat und sie gaben mir einige. Da bekam ich meinen ersten


Qur´an. Möge Allah sie alle segnen.


Ich las im Qur’an. Und dort fand ich:


“Und Ich habe die Ginn und die Menschen nur darum


erschaffen, damit sie Mir dienen (sollen)” (Quran 51:56)


“Allein, Wir machen die einen unter euch zur Prüfung für die


anderen. Wollt ihr denn geduldig sein? Und dein Herr ist


Allsehend. (20)” (Quran 25:20)


Und alle die Antworten, nach denen ich gesucht hatte, waren dort.


Mein Leben hat sich nicht geändert. Es war immer noch die meiste Zeit


schwer. Was sich verändert hat, ist meine Haltung dem Leben gegenüber … Der


Unterschied ist, dass ich jetzt weiß, dass Er mein Herr und mein Wali (Hüter),und


ich bin dankbar für alles, mit dem Er mich gesegnet hat.


Hagar ist eine 42-jährige muslimische Konvertierte. Sie hat einen


Hochschulabschluss in Linguistik und Literatur und ist eine Spezialistin in


portugiesischer Sprache und Literatur.



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