Lernen Sie Deutschlands ersten Berater für islamische Angelegenheiten kennen
In Deutschland gibt es etwa 2.800 Moscheen. Oftmals stehen sie im Mittelpunkt von Diskussionen oder Streitigkeiten, insbesondere wenn islamische Gotteshäuser mit besonderen Merkmalen, wie etwa einem hohen Minarett, im Stadtbild auftauchen.
Obwohl für Moscheen im Allgemeinen dieselben Standards gelten wie für Kirchen oder Synagogen, hängt vieles von den örtlichen Vorschriften der einzelnen Gemeinden ab.
In solchen Situationen kann der 44-jährige Hussein Hamdan einspringen. Der promovierte Islam- und Religionswissenschaftler ist Deutschlands erster Berater für islamische Angelegenheiten und hilft in dieser Funktion bei der Lösung von Konflikten zwischen muslimischen Gemeinschaften und lokalen Behörden. Seit acht Jahren arbeitet Hamdan als islamischer Berater im südwestdeutschen Bundesland Baden-Württemberg.
Wie sein erster Auftrag ablief, erinnert er sich noch genau: „Es war am 2. Juni 2015 und ein Bezirksamt bat mich um ein Gutachten für einen Sufi-Verein“, erzählt er der DW. Sufis sind Anhänger des mystischen Islam, bekannt für ihre Musik und ihren spirituellen Tanz. In Deutschland gibt es nur eine Handvoll dieser Gemeinden. Der Religionswissenschaftler konnte einige der Unsicherheiten unter den Kommunalpolitikern zerstreuen.
Esslinger Moschee. Im April 2023 wurde die Esslinger Moschee eröffnet. Es wurde im April 2023 eröffnet
Der Bau der Moschee in Esslingen bei Stuttgart war lange Zeit ein umstrittenes ThemaBild: Bernd Weißbrod/dpa/picture Alliance
Erster Muslim in der katholischen Diözese
Hamdan ist bei der Katholischen Kirche angestellt, wo er seit 2012 als erster Muslim an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig ist. Im Bundesland Baden-Württemberg leben etwa 11 Millionen Menschen, darunter etwa 800.000 Muslime. Die ersten Moscheen wurden im Bundesstaat in den 1990er Jahren gebaut.
Zunächst war Hamdan für ein Projekt namens „Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Unterstützt durch die Robert Bosch Stiftung steht er Kommunen und Entscheidungsträgern als Berater zur Verfügung.
Er beschäftigt sich oft mit alltäglichen Fragen. Ist das Minarett zu hoch? Wie können lokale Behörden das Who-is-Who aller einzelnen islamischen Gruppen in ihren Gemeinden am besten verstehen? Wie kann eine Kommune junge Muslime am besten integrieren? Wie kann andererseits eine Moscheegemeinde die Integration ihrer jungen Menschen fördern?
Auf diese Fragen gibt es meist keine pauschalen Antworten. Die Höhe eines Minaretts muss sich an den für das jeweilige Stadtgebiet geltenden Bauvorschriften orientieren. In Gebieten, in denen muslimische Gläubige seit Jahrzehnten leben, gibt es möglicherweise mehr Austausch zwischen ihren Gemeinden und den lokalen Regierungen als in anderen.
Gemischte Reaktionen auf Deutschlands erste liberale Moschee
Hamdan erklärt den Moscheegemeinden auch, wie der Prozess der Kommunalverwaltung in Deutschland funktioniert. An wen können sie sich wenden, wenn sie Hilfe benötigen? Hamdan sagt, eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Dialog sei, dass die Moscheegemeinden vertrauenswürdige Sprecher benennen.
Fast 50 Kommunen in ganz Baden-Württemberg haben seine Beratungsleistungen in Anspruch genommen. „Manchmal ist es nur ein Gespräch, das ein oder zwei Stunden dauert. In anderen Fällen kann es zwei oder drei Termine dauern“, sagt er. In einigen Fällen muss er die Parteien durch einen längeren Prozess begleiten. „Es geht nicht darum, vorgefertigte Lösungen anzubieten, sondern um Handlungsempfehlungen“, betonte der Islamberater.
Hamdan versteht die unterschiedlichen Ansichten, wenn es um den Bau von Moscheen in Deutschland geht. Während einige es als Teil eines Prozesses der „Islamisierung“ sehen, sehen andere öffentlich sichtbare Moscheen, die oft als Ersatz für versteckte Einrichtungen in Hinterhöfen oder Industrieparks errichtet werden, als Zeichen einer offeneren, weltoffeneren Gesellschaft.
Einer der von Hamdan beratenen Fälle betraf eine Stadt mit 8.000 Einwohnern, deren Gemeinderat den Bau eines Minaretts letztlich ablehnte. Hamdan sagte, es sei zumindest möglich, dass beide Seiten weiterhin miteinander reden.
Tag der offenen Tür in Deutschlands Moscheen
Unter dem Motto „Gute Gemeinschaft, bessere Gesellschaft“ öffnen am 3. Oktober bis zu 1.000 Moscheen ihre Türen für Besucher. Die DW wirft einen Blick auf dieses Gemeinschaftsereignis in den islamischen Gebetshäusern.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Baumgarten
Menschen blicken in den Gebetsraum einer Moschee in HürthMenschen blicken in den Gebetsraum einer Moschee in Hürth
Deutsche Moscheen – Deutsche Einheit
Der „Tag der offenen Moscheen“ findet seit 1997 am Tag der Deutschen Einheit – dem deutschen Nationalfeiertag – statt. Das Datum sei bewusst gewählt worden, um die Verbundenheit der Muslime mit dem deutschen Volk und ihr Selbstverständnis als Teil der Deutschen Einheit zum Ausdruck zu bringen, erklärt der Zentralrat der Muslime. Erwartet werden rund 100.000 Besucher – hier stehen einige vor der Berliner Sehitlik-Moschee.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken
Tag der offenen Moscheen in BerlinTag der offenen Moscheen in Berlin
Moscheen für alle
An diesem Tag möchten muslimische Gemeinden den Besuchern den Islam näher bringenbesser als eine echte Moschee? Moscheen sind weit mehr als nur Orte des Gebets, sie dienen auch als Treffpunkte für die Schaffung von Gemeinschaft und sozialer Interaktion. Das Wort „Moschee“ leitet sich vom arabischen Wort „Majid“ ab, was „Ort der Niederwerfung im Gebet“ bedeutet.
Kritische Fragen zu islamischen Gruppen
Außerdem informiert er die örtlichen Behörden über islamische Gruppen, die vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet werden, der mit der Verfolgung extremistischer Bewegungen beauftragt ist.
Darüber hinaus warnte er vor einer Verallgemeinerung aller Moscheegemeinden, die der Türkisch-Islamischen Union für Religionsangelegenheiten (DITIB) angehören, deren politischer Einfluss in Deutschland in der Vergangenheit kritisiert wurde. „Wir müssen immer auf jede einzelne Moscheegemeinde schauen. Denn die Kommunen könnten von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich sein“, sagte er der DW. Moscheen, die zum DITIB, dem größten Dachverband der Moscheen in Deutschland, gehören, stehen in der Kritik, weil sie türkischen Religionsbehörden unterstellt und angeblich von diesen kontrolliert werden.
„Zu einem ehrlichen Dialog gehört auch die Auseinandersetzung mit kritischen Fragen“, betont Hamdan. Er empfiehlt, dass Vertreter von Kommunen und Moscheen häufiger zusammenkommen und sich austauschen. „Es erfordert gemeinsames Essen, gemeinsames Kaffeetrinken, gemeinsames Feiern. Es braucht aber auch den Austausch darüber, wie wir mit kritischen Fragen umgehen, die sich natürlich auch auf unser Zusammenleben hier in unseren Kommunen auswirken.“
Hamdan legt großen Wert auf die Einbeziehung von Muslimen, insbesondere jungen Muslimen, in lokale Regierungsprojekte.
Seine Bemühungen wurden vom Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg, Michael Blume, gelobt. „Hussein Hamdan beweist, dass das Zusammenleben der Religionen wirklich auf der Basisebene stattfindet“, sagte Blume gegenüber der DW. „Länder, die Zusammenstöße wie in Frankreich nicht erleben wollen, sollten jetzt in den Dialog und die Beratung vor Ort zum Thema Islam investieren.“