Wir träumen oft von einer vollkommen vereinten Umma. Da dies einem momentan ein wenig weithergeholt erscheint, können wir einige Schritte in Richtung Vereinigung der Umma unternehmen. Ein einziger einfacher Hadîth kann wesentlich zur Vereinigung der Umma beitragen, da er unsere Beziehungen vor Feindseligkeit bewahrt. Dies stärkt unsere Umma und führt schlussendlich zur Vereinigung. Dieser Hadîth enthält einen einfachen Rat, der große Folgen hat.
„Einst beschimpfte eine Person Abû Bakr , während der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) dies mit einem Lächeln neugierig beobachtete. Nachdem Abû Bakr viele Beschimpfungen schweigend hingenommen hatte, widersprach er einigen Behauptungen. In diesem Augenblick zeigte der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sein Missfallen, stand auf und ging. Abû Bakr holte den Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) ein und wunderte sich: »O Gesandter Allâhs! Er hat mich beschimpft und du bist sitzen geblieben. Als ich ihm widersprochen hatte, warst du nicht einverstanden und bist aufgestanden.« Der Gesandte Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) antwortete: »An deiner Seite war ein Engel, der ihm widersprochen hat. Als du ihm widersprochen hattest, nahm der Satan seinen Platz ein.« Er fuhr dann fort: »O Abû Bakr, es gibt drei solide Wahrheiten: Wenn einem Menschen Unrecht angetan wird und er dies duldet (ohne nach Rache zu trachten), einzig zum Wohlgefallen Allâhs des Allmächtigen, dann wird Allâh ihn ehren und ihm mit Seiner Hilfe die Oberhand gewähren. Wenn ein Mensch ein Tor zum Beschenken öffnet, um Beziehungen mit Verwandten zu festigen, dann wird Allâh ihm Wohlstand gewähren. Und wenn ein Mensch ein Tor öffnet, um nach Almosen für sich selbst zu trachten, um sein Vermögen zu mehren, dann wird Allâh sein Vermögen weiter mindern.«“ (Musnad Ahmad).
Im Islâm wird uns immerzu gelehrt, mit einer Tat, die besser ist, die schlechte abzuwehren. Manchmal, wenn man beschimpft wird, ist es am einfachsten, dies zu erwidern, doch wie der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) uns sagte: Wenn wir schweigen, dann antwortet ein Engel dem Verleumder. Dies ist die beste Verteidigung, die wir bekommen können. Man könnte sich trotzdem fragen, warum wir schweigen sollen, wenn die andere Person im Unrecht ist? Um die Weisheit, die hinter dem Schweigen steckt, wirklich zu begreifen, benötigt man sowohl Weitblick als auch islâmisches Wissen.
Wenn die Verteidigung durch einen Engel einem als nicht ausreichend erscheint oder es einen nicht dazu veranlasst, seine Zunge zu beherrschen, dann wird es sicherlich genügen, die Auswirkungen des Schweigens zu untersuchen. Der Traum, eine vereinte Umma wiederzuerlangen, ist der Traum fast eines jeden Muslims. Der Traum ist sicherlich noch weitestgehend unerfüllt, Vereinigung kann jedoch in jeder Gemeinde aufgebaut werden, unabhängig davon, wie klein sie ist. Wenn jemand offen beleidigt wird, dann erwidert er dies umgehend, da dies ein Instinkt ist, um seinen Namen zu verteidigen; hält er jedoch ein, um über die Folgen des Schweigens nachzudenken? Vorausgesetzt, dass das Schweigen keine weiteren Probleme nach sich zieht, wird ein Mensch mit Weitblick sicherlich den letzteren Kurs einschlagen und wegen der positiven Folgen schweigen. Allâh der Hocherhabene zieht es in erster Linie vor, dass wir schweigen. Er möchte, dass wir Geduld üben. Wenn man beschimpft wird, dann übt man Geduld, indem man schweigt. Sobald ein Mensch einer Behauptung widerspricht, bereitet dies möglicherweise einer hitzigen Debatte den Weg, was sicherlich zur Zersplitterung einer Gemeinde führen kann, ja sogar zu Hass zwischen den Gegenseiten. Das Schweigen verhindert jedoch jedwede Gelegenheit für fruchtlose Debatten und mögliche Gräben zwischen den Mitgliedern einer Gemeinde.
Zweitens: Als anständiger Muslim müssen wir unseren muslimischen Bruder oder unsere muslimische Schwester mangels Beweisen freisprechen. Es besteht die Möglichkeit, dass der Verleumder schlechte Laune hat und sich dazu entschlossen hat, seinen Ärger an der nächstbesten Person, die vorbeikommt, auszulassen! Zu schweigen, wird dem Verleumder die nötigen Perspektive eröffnen und die nötige Zeit geben, um nachzudenken, da es keine umgehende Reaktion gab. Wenn der fälschlicherweise Beschuldigte umgehend widersprochen hätte, dann hätte dies den schlechten Effekt gehabt, dass der Beleidigende in die Verteidigung gedrängt wäre (was wenig Nachdenken erfordert), anstatt ihm Zeit zum Nachdenken zu geben. Der Beleidigende wird sofort bemerken, dass die andere Person schweigt, was ihn dazu bringt, seine Behauptungen zu überdenken. Wenn nicht, dann hat man wenigstens keinen Streit mit einem anderen Mitglied der muslimischen Gemeinde verursacht.
Drittens verspricht Allâh im Qurân denjenigen, die geduldig bleiben, etwas Erstaunliches. In der Sûra Fussilat beginnt Allâh mit einem Rat an die Gläubigen: „… Wehre mit einer Tat, die besser ist, (die schlechte) ab, …“ (Sûra 41:34). In diesem Fall würde dies bedeuten zu schweigen. Nachdem wir die gute Tat in Form des Schweigens verrichtet haben, verspricht Allâh uns: „… dann wird derjenige, zwischen dem und dir Feindschaft besteht, so, als wäre er ein warmherziger Freund.“ (Sûra 41:34) Allâh macht, wenn man schweigt, einen Feind zu einem Freund. Hierin liegt die Tugend des Schweigens. Das Herz des Feindes wird sich so sehr erweichen, dass er zum Freund wird! Dieser Hadîth ist gewiss ein Schlüssel zur Schaffung einer vereinten Umma. Schweigen ist nicht nur nützlich am Tage des Letzten Gerichts und für unsere Umma, sondernd zudem eine Lösung für unsere Probleme. Allâh verspricht, den Feind zu einem Freund zu machen.
Denkt daran, dass das Schweigen – de facto das Beherrschen unseres Zorns, wenn wir provoziert werden – von Allâh geliebt wird. Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Wer seinen Zorn zu einem Zeitpunkt beherrscht, an dem er die Mittel hat, dementsprechend zu handeln, dessen Herz wird Allâh am Tag der Auferstehung mit Zufriedenheit füllen.“ (At-Tabarânî). Die meisten von uns können ihren Zorn beherrschen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben dementsprechend zu handeln. Die wahre Prüfung besteht jedoch darin, wenn man die Möglichkeit hat dementsprechend zu handeln, sich dies für das übergeordnete Wohl zu versagen. Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) lehrte uns dies, als einige Leute der Quraisch damit begannen, ihn „Mudhammam“ (den Abscheulichen) zu nennen. Dieser Name begann sich in ganz Makka zu verbreiten. Seine Gefährten waren zutiefst verletzt und verärgert zu sehen, dass er verspottet wurde. Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) versuchte ihren Schmerz zu lindern und sagte zu ihnen: „Sie verfluchen nur Mudhammam. Mein Name ist Muhammad.“ (Al-Buchârî).
Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) hätte darauf reagieren können, doch dies hätte von seinen Zielen abgelenkt und ihn in etwas verwickelt, was wesentlich unwichtiger ist als sein Entsendungsgrund - nämlich die Menschen zum Islâm einladend aufzurufen.
Leider reagieren wir in unserer heutigen Zeit hastig und lassen unserer Zunge freien Lauf, wohingegen der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) einst sogar zu Mu'âdh ibn Dschabal sagte: „Wird irgendetwas außer dem [unverantwortlichen] Gerede die Menschen dazu veranlassen, auf ihren Gesichtern oder auf ihren Nasenlöchern ins Höllenfeuer geworfen zu werden?“ (At-Tirmidhî). Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) stand auf, nachdem Abû Bakr geantwortet hatte, weil der Satan Abû Bakr zum Widersprechen provoziert hatte. Der Satan ließ das Problem in Abû Bakrs Verstand eskalieren; denn wenn man einmal etwas entgegnet hat, führt dies zu einem hitzigen Gespräch, und höchstwahrscheinlich entsteht Feindschaft zwischen den zwei Leuten.
Es ist wichtig, die islâmische Perspektive für das Verleumden zu verstehen, da dies unsere Willenskraft stärkt. Wenn ein Muslim verleumdet wird, dann obliegt gemäß der Scharia die Beweislast dem Verleumder. Dies bedeutet, dass derjenige, der verleumdet wird, nicht dazu verpflichtet ist, sich vor einem islâmischen Gerichtshof zu verteidigen. Vielmehr ist es der Verleumder, der Beweise sammeln und präsentieren muss, um seine Behauptung zu untermauern. In unserem demokratischen System ist dies als „unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist“ bekannt. Als Âischa einer abwegigen Tat bezichtigt wurde, überließ das islâmische Gericht die Last dem Verleumder, dessen Behauptung zu beweisen. Als er nicht in der Lage war, seine verleumderische Behauptung zu beweisen, lautete seine Bestrafung 80 Peitschenhiebe. Den gesamten Prozess hindurch war Âischa gemäß der Scharia nicht dazu verpflichtet, sich zu verteidigen. Die Lehre, die daraus gezogen werden muss, lautet, dass ein Unschuldiger, wenn jemand ihn verleumdet, nicht dazu verpflichtet ist sich zu verteidigen. Eine weitere Lehre, die aus diesem Hadîth gezogen werden muss, ist die Bestrafung des Verleumders. Wenn ein Verleumder im Diesseits mit 80 Peitschenhieben bestraft wird, dann stellt euch seine Bestrafung im Jenseits vor!
Wenn wir sehen, dass jemand einen anderen beleidigt, dann ist dies etwas anderes – besonders dann, wenn dieser schwächer ist. Wie wir wissen, sagte der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Wer von euch eine falsche Handlung sieht, der soll sie mit seinen Händen abwehren! Wenn er dies nicht kann, dann mit seiner Zunge! Wenn er dies nicht tun kann, dann soll er es mit seinem Herzen verabscheuen! Und dies ist die schwächste Form des Glaubens.“ (Muslim). Dies sollte mit dem Beispiel des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) relativiert werden, der es nicht zuließ, dass Ärger ihn übermannte oder dass Kraftausdrücke seine Sprache befleckten.
Wenn man sich dennoch verteidigen will, dann hat man das Recht dazu. Die Sûra Âli Imrân besagt, dass man das Recht besitzt, sich bis zu dem Punkt selbst zu verteidigen, an dem man Gerechtigkeit erlangt, was bedeutet, dass man sich lediglich gegen die Vorwürfe gegen einen selbst verteidigen kann und nicht darüber hinaus. Wir wissen, dass Uthmân am Ende seines Kalifats von Leuten brutal ermordet wurde, die böse Lügen über ihn verbreitet hatten. Wenn verbale Beleidigungen und Verleumdung den Punkt erlangen, dass sie zu Aufruhr führen, dann obliegt es uns, in angemessener Weise zu reagieren. Die Sûra besagt dann weiter, dass die Besten unter euch diejenigen sind, die vergeben. Sûra An-Nahl besagt ebenfalls, dass man sich soweit verteidigen kann, wie die falsche Behauptung geht, jedoch nicht darüber hinaus. Die Sûra betont abermals, dass es besser sei, wenn man geduldig ist. Die Sûra besagt: „Sei standhaft; deine Standhaftigkeit ist nur durch Allâh (möglich)…“ (Sûra 16:127). Der Vers ermuntert uns, standhaft zu sein, da er uns dazu auffordert, nicht über sie (die Quraisch) zu trauern und nicht betrübt über deren Pläne zu sein. Allâh ist wahrhaftig mit denjenigen, die Ihn fürchten und mit denjenigen, die das Gute tun. Im Falle des Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) war es besser zu schweigen, da die Worte der Quraisch leer waren und eine Reaktion darauf die schlechtere Option gewesen wäre.
Bei einem derartigen Szenario, dem wir alle an einem gewissen Punkt unseres Lebens begegnen, schweigt deshalb der wahre islâmische Mensch mit Weitblick zum Zeitpunkt, an dem er persönlich beleidigt wird, da das Schweigen die Verteidigung eines Engels gewährleistet, da das Schweigen eine Belohnung im Paradies garantiert, da das Schweigen ein Leben in den Fußstapfen des geliebten Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) gewährleistet, da das Schweigen veranlasst, dass Feinde zu Freunden werden, und da das Schweigen eine vereinte Umma garantiert.