Das Studium des Tauhîd kann nicht als vollständig gesehen werden, solange man keine sorgfältige Analyse seines Gegenteils, des Schirks, durchgeführt hat. Einige Anmerkungen über Schirk wurden schon im vorhergehenden Kapitel gemacht. Anhand von Beispielen wurde gezeigt, wie der Gedanke des Tauhîd zerstört wird. Im Folgenden wird Schirk als separates Thema behandelt, dessen immense Bedeutung Allâh im Qurân bestätigt:
„Allâh vergibt gewiss nicht, dass man Ihm (etwas) beigesellt. Doch was außer diesem ist, vergibt Er, wem Er will. Wer Allâh (etwas) beigesellt, der hat fürwahr eine gewaltige Sünde ersonnen.“ (Sûra 4:48)
Da Schirk an sich den eigentlichen Zweck der Schöpfung leugnet, ist die Sünde des Schirk bei Allâh die schlimmste aller Sünden und unverzeihlich.
Schirk heißt wortwörtlich „Partnerschaft“, „Teilhaben“ oder „Beigesellen“.
Im Islâm bedeutet es das Beigesellen von Partnern zu Allâh, ganz gleich in welchen Formen. Die folgende Analyse des Schirk basiert auf den umfassenden Kategorien des Tauhîd, die bereits zuvor detailliert dargelegt wurden. Daher werden wir zunächst die häufigsten Formen des Schirk näher betrachten:
- Erstens: Schirk in Rubûbiya (Polytheismus in der Herrschaft)
- Zweitens: Schirk in Al-Asmâ wa As-Sifât (Göttliche Namen und Eigenschaften)
- Drittens: Schirk in der ‘Ibâda (Gottesdienst)
Jetzt behandeln wir die erste Form des Schirk, nämlich:
Erstens: Schirk in Rubûbiya (Polytheismus in der Herrschaft)
Diese Kategorie des Schirk bezieht sich entweder auf den Glauben, dass andere Allâh in der Herrschaft über die Schöpfung ebenbürtig oder fast ebenbürtig seien, oder aber auf den Glauben, dass generell kein Herrscher über die Schöpfung existiert. Die meisten religiösen Systeme fallen unter den ersten Aspekt des Schirk in Rubûbiya, während die Philosophen und ihre menschengemachten Philosophien dazu neigen, den zweiten Aspekt hervorzustreichen.
- Schirk durch Beigesellung
Die Glaubensvorstellungen, die unter diese Unterkategorie fallen, sind diejenigen, die zwar einen zentralen Gott oder ein höchstes Wesen anerkennen, jedoch davon ausgehen, dass dieser Seine Herrschaft mit kleineren Göttern, Geistern, Sterblichen, Himmelskörpern oder irdischen Objekten teilt. Solche Glaubenssysteme werden von Philosophen und Theologen üblicherweise entweder als monotheistisch (einen einzigen Gott anerkennend) oder als polytheistisch (an mehrere Götter glaubend) eingestuft. Dem Islâm zufolge sind aber all diese Systeme polytheistisch und lassen in verschiedenem Ausmaß die Degeneration göttlich offenbarter Religionssysteme erkennen, die ursprünglich alle auf Tauhîd basierten.
Im Hinduismus wird das höchste Wesen Brahman als allem-innewohnend, alldurchdringend, unveränderlich und ewig, als das abstrakte unpersönliche Absolute verstanden, von dem der Ursprung und das Ende aller Dinge ausgeht. Dem zufolge ist der Gott Brahma der personifizierte Schöpfer des Universums, der aber eine Dreieinigkeit mit dem Schutzgott Vischnu und dem Zerstörergott Schiva bildet. Daher drückt sich im Hinduismus Schirk in Rubûbiya durch die Übertragung der schöpferischen, destruktiven und beschützenden Kräfte Gottes auf andere Götter aus.
Die christliche Lehre besagt, dass sich der eine Gott in drei Personen zeigt: dem Vater, dem Sohn (Jesus Christus) und dem Heiligen Geist. Diese drei Personen werden jedoch trotzdem als eine Einheit gesehen. Sie alle sind Teil eines „Wesens“.
Der Prophet Jesus wurde zur Gottheit erhoben. Er sitzt zur rechten Hand Gottes und richtet über die Welt. Der Heilige Geist, dem in der hebräischen Bibel die Rolle als Mittel Gottes zu Ausübung seiner schöpferischen Kraft zugedacht wird, ist in der christlichen Vorstellung zu einem Teil des Hauptgottes geworden.
Paulus formte aus dem Heiligen Geist das „andere Ich“ des Christus, eine Leitung und Hilfe für die Christen, der sich zum ersten Mal am Pfingstfest offenbarte. Folglich ist im christlichen Glauben der Schirk in Rubûbiya darin zu erkennen, dass Jesus und der Heilige Geist als Partner Gottes in all Seiner Herrschaft gesehen werden. Auch der Glaube an das alleinige Richten durch Jesus auf dieser Welt und an die Hilfe und Leitung der Christen durch den Heiligen Geist ist als Schirk in dieser Kategorie zu werten.
Unter manchen Muslimen zeigt sich Schirk in Rubûbiya in ihrem Glauben daran, dass die Geister von „Heiligen“ und anderen rechtschaffenen Menschen die Angelegenheiten dieser Welt sogar nach ihrem Tod beeinflussen könnten. Sie glauben, dass ihre Geister unsere Bedürfnisse erfüllen, Schaden abwenden und Hilfe gewähren können, wenn man sie herbeiruft. Diese Grabesanbeter weisen somit menschlichen Geistern die göttliche Fähigkeit zu, Ereignisse in diesem Leben zu verursachen, obwohl in Wirklichkeit nur Allah sie verursachen kann.
Unter Sûfîs (muslimische Mystiker) ist auch der Glaube an die Ridschâl Al-Ghayb allgemein verbreitet, deren höchster Rang der des Qutb ist, von dem aus die Angelegenheiten dieser Welt gelenkt werden sollen.