Artikel

Ein Artikel, der kürzlich im „Internationalen Magazin für Kardiologie“ mit dem Titel „Das Herz und das Herz-Kreislauf-System im Qurân und in Hadîthen“ erschien, untersucht das Konzept des Herzens im Islâm hinsichtlich Herzphysiologie und Herz-Kreislauf-Krankheiten im biomedizinischen Kontext und erörtert die relevante historische muslimische Gelehrsamkeit zu den Themen Gesundheit und Krankheit. Dieser Artikel präsentiert jüngste Erkenntnisse, versucht islâmisches Denken im Lichte moderner Wissenschaft aufzuarbeiten und wurde von der muslimischen Gemeinschaft mit großer Freude aufgenommen. 





Unser heutiger historischer Kontext legt eine besonders starke Betonung auf die Wissenschaft als ein Zielmittel, um die Gültigkeit von Konzepten zu überprüfen.





Was bedeutet erkenntnistheoretisch eigentlich Wissenschaft? Es ist ein systematisches Mittel, um Fragen über die Natur zu stellen. Wissenschaftler stellen Beobachtungen zu Phänomenen an und gliedern ihr Verständnis dieser Phänomene in falsifizierbare Rahmen, die dann verwendet werden, um Hypothesen aufzustellen. Auf Basis dieser Hypothesen werden dann kontrollierte Experimente durchgeführt, die weitere Beobachtungen erlauben. Wiederholen wir es noch einmal! Eine wissenschaftliche Theorie muss also erstens auf Beobachtung beruhen und deshalb zweitens falsifizierbar sein (sprich das Potenzial besitzen, durch die Beobachtung von etwas Gegenteiligem als falsch erwiesen zu werden). Die Wissenschaft ist demnach in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich auf das Beobachtbare begrenzt.





Leider werden Muslime, die wenig Wissen über beide Konzepte besitzen, oft dazu verleitet, Wissenschaft zur Bestätigung des Islâm zu benutzen. Die beiden oben erwähnten Anforderungen an die wissenschaftliche Theorie (beobachtbar und falsifizierbar) und eine flüchtige Betrachtung des Wesens der Religion bestätigen, dass die Wissenschaft einfach nicht die Mittel besitzt, um Religion zu beurteilen. Ein metaphysischer Schöpfer (Allâh der Hocherhabene) ist per definitionem nicht beobachtbar. Aus diesem Grund werden wir auf der zweiten Seite des Qurân darüber informiert, dass dieses Buch eine Rechtleitung für diejenigen ist, die an das „Ghaib“ glauben. Grob übersetzt bedeutet „Ghaib“ verborgen oder nicht erkennbar – wörtlich: nicht wahrnehmbar. Wenn Allâh grundsätzlich nicht wahrnehmbar ist (daher ist der Glaube anspruchsvoll – wenn wir alle Allâh sehen, fühlen, hören, riechen oder erleben könnten, dann würde die Frage nach dem Glauben an Ihn nicht existieren), dann sind Er und Seine Werke nicht falsifizierbar und deshalb komplett außerhalb des Bereichs wissenschaftlicher Beurteilung. Das Gleiche gilt für jeden metaphysischen Aspekt von Glaubenslehren, wie beispielsweise die spirituelle Qualität des Herzens.





Wenn Artikel, wie der oben erörterte, feierlich als Bestätigung für die Großartigkeit des Islâm erklärt werden, dann zeigt dies eine gewisse Beklemmung unserer Umma über die eigenen Glaubensvorstellungen in unserer Religion auf. Wir scheinen irgendwie zu glauben, dass es den Islâm wahrer macht, wenn die „große, böse Wissenschaft“ sagt, dass es eine Weisheit oder Wunder im Qurân gibt.





Die grundsätzliche Gefahr dieser Herangehensweise, die Wissenschaft als „objektives“ Bestätigungsinstrument für den Qurân zu benutzen, besteht darin, dass auf Wissenschaft basierende Theorien per definitionem falsifizierbar und deshalb fehlbar sind. Theorien, die wie die Gravitätstheorie sakrosankt waren, wurden mit einem einzigen einfachen Experiment erschüttert (falsifiziert). Was macht jemand, der Wissenschaft als eine Bestätigung für den Qurân benutzt, wenn es in modernen wissenschaftlichen Theorien Unwahrheiten gibt und diese mit Beschreibungen von Phänomenen im Qurân nicht übereinstimmen?   





Darüber hinaus hat unser Vertrauen auf die Wissenschaft als Krücke für unsere Schwäche im Glauben einen weiteren schädlichen Effekt: Es ermuntert zu Wissenschaft von niedriger Qualität. Ein Großteil des betreffenden Artikels fasst das spirituelle Herz, das meistens in der muslimischen Gelehrsamkeit erörtert wird, mit dem physiologischen Herz der biomedizinischen Literatur zusammen. Insofern als das Herz metaphysisch ist, ist das spirituelle Herz nicht wahrnehmbar und nicht falsifizierbar; es befindet sich komplett außerhalb der Grenzen wissenschaftlicher Beurteilung und ist daher für eine biomedizinische Zeitschrift nicht geeignet. Aus diesem Grund wirft das Zusammenfassen von Wissenschaft und Religion ein schlechtes Licht auf die Seite der Muslime gegenüber der wissenschaftlichen Gemeinde.





Anstatt die Wissenschaft zur Interpretation des Islâm zu benutzen, sollten unsere Gelehrten kritischer über die Verwendung des Islâm zur Interpretation wissenschaftlicher Entdeckungen nachdenken! Leider werden viele Menschen, die „die wissenschaftlichen Wunder des Qurân“ hinaustrompeten, zugleich die Existenz einer datenunterstützten Evolution rundweg und unverfroren leugnen. Während dies ein massiv umstrittenes Thema unter theistischen Gemeinden bleibt, können Muslime nicht vor stereotypischen evangelikalen christlichen Meinungen zurückweichen. Unsere Religionsgelehrten sollten untersuchen, wie der Islâm objektiv betrachtete und falsifizierbare Beweise für die Prozesse der genetischen Tendenz und unwillkürliche Anpassung interpretieren könnte! Wie können wir die islâmischen Exegesen benutzen, um diese zunehmend gut unterstützten wissenschaftlichen Daten zu interpretieren, anstatt zu stereotypierten, reflexartigen Meinungen zu springen (die Theorie einfach blind zu verurteilen)? Wie können wir diese Entdeckungen im Kontext islâmischer Lehren über die Schöpfung, das Leben und die Variation finden? Diese Fragen sind besonders relevant für biomedizinische und ethische Dilemmata, wie Abtreibung, Stammzellenforschung usw.





Ein Großteil des Rahmens, auf dem moderne wissenschaftliche Argumentation aufbaut, wurde von Muslimen in der frühen Geschichte unserer Religion entwickelt. Diese frühen Wissenschaftler erkannten jedoch die Stärken und Grenzen ihrer Herangehensweise – Muslime heute müssen mit demselben Eifer und derselben Erkenntnis an die Wissenschaft herantreten!





„Die Allâhs stehend, sitzend und auf der Seite (liegend) gedenken und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken: »Unser Herr, Du hast (all) dies nicht umsonst erschaffen. Preis sei Dir! Bewahre uns vor der Strafe des (Höllen)feuers.«“ (Sûra 3:191).





Die arabische Pharmazie (Saidana bzw. Saidala)* wurde bis Beginn des neunten Jahrhunderts (3. Jahrhundert nach der Hidschra) als ein von der Medizin getrennter Beruf und eine getrennte Denkschule verstanden. Bagdad, das Zentrum der Gelehrten zu jener Zeit, erlebte eine rapide Verbreitung von privaten Pharmazieläden, ein Trend, der sich schnell in die Vororte und andere muslimische Städte ausbreitete.





 





Die traditionelle Apotheke und die „moderne“ Apotheke:





 





Der traditionelle Apothekenstil wurde den Apotheken der arabischen Welt (in Ägypten heute noch gängig) nachgebildet. Der Stil der heutigen Apotheken hat sich seither nicht stark verändert. Allerdings waren die traditionellen Apotheken dafür verantwortlich, ihre eigenen Arzneimittel anzufertigen. Heutzutage wird die Anfertigung von Firmen vollzogen und es werden zunehmend Chemikalien an Stelle natürlicher Kräuter und Zutaten verwendet.





 





Die Apotheker, die diese neuen Läden leiteten, waren in der Apothekerkunst bewandert und sehr kenntnisreich in der Herstellung von Mixturen, der Lagerhaltung und im Haltbarmachen von Medikamenten. Staatlich geförderte Krankenhäuser hatten ebenfalls ihre eigenen Apotheken, die zu Fertigungslaboren gehörten, in denen Sirupe, Latwergen, Salben und andere pharmazeutische Präparate in relativ großem Umfang bereitet wurden. Ein von der Regierung bestimmter Beamter, der „Muhtasib“ und dessen Berater inspizierten regelmäßig die Apotheker und deren Läden. Diese staatlichen Inspektoren waren dafür verantwortlich, die Genauigkeit der Gewichte und Maße sowie die Reinheit der Materialien sicherzustellen, die zur Herstellung der Arzneimittel verwendet wurden. Dies diente als Mittel, um die Qualität zu sichern und die Öffentlichkeit zu schützen.





 





Dieser frühe Aufstieg und diese Entwicklung professioneller Pharmazie im Islâm – mehr als vier Jahrhunderte bevor eine derartige in Europa stattfand – waren das Ergebnis dreier bedeutender Gegebenheiten: Der starke Anstieg in der Nachfrage nach Arzneimitteln und deren Verfügbarkeit auf dem Markt, professionelle Reife und intellektuelle Neugier. 





 





Das neunte Jahrhundert verzeichnete den Beginn der Blütezeit islâmischer Bildung, und genauso wie muslimische Gelehrte bedeutende Errungenschaften in den physikalischen Wissenschaften machten, lernten, beherrschten und erweiterten sie die Medizin- und Pharmaziekunst.





 





Das erfolgreiche intellektuelle Gären, das die Schulen Bagdads befeuerte, Unterstützung von höchsten Regierungsebenen und ein Verlangen nach intellektuellem Vorgehen ebneten den Weg für einen noch größeren Ertrag in den folgenden vier Jahrhunderten. Anleitungen für die „Materia Medica“ und Hinweise für den Apotheker bezüglich der Arbeit und der Verwaltung seines Ladens begannen zunehmend zu kursieren.





 





Ein Mitwirkender an der arabischen Pharmazie im dritten/neunten Jahrhundert, war der nestorianische Physiker Yûhannâ ibn Mâsawaih (im Westen bekannt als Mesuë, 777-857). Als Apotheker der zweiten Generation verfasste Ibn Mâsawaih eine frühe wissenschaftliche Abhandlung über Heilpflanzen, wobei er ungefähr dreißig Aromen auflistete – einschließlich deren physikalischer Eigenschaften, Erkennungsmethoden für verfälschte Produkte und deren pharmakologische Wirkungen. Anhand des Ambers erklärte er beispielsweise, dass es viele Arten davon gibt, von denen der blaue oder graue Amber der beste ist und dass fettiges As-Salahiti mit einer Auswahl an aromatisierten Mischungen (Ghalîyas, Parfüms oder medizinische Kosmetika) verwendet wird. Ibn Mâsawaih empfahl außerdem Safran für Leber- und Magenbeschwerden. Er merkte an, dass Sandelholz, sei es gelb (das Beste), weiß oder rot, aus Indien eingeführt wurde, wo es bei der Herstellung von Parfüms verwendet wird.





 





Ibn Mâsawaih empfahl in seiner medizinischen Arbeit die Verwendung bekannter Arzneipflanzen, um eine natürliche Abwehr gegen Krankheiten aufzubauen. Er drängte Physiker dazu, ein Heilmittel für jede Krankheit zu verschreiben und empirische und analoge Beweisführung zu verwenden. Er merkte abschließend an, dass der Mediziner, der ohne Arzneimittel und lediglich durch eine Diät kurieren kann, als der erfolgreichste und bewandertste betrachtet werden sollte. 





 





Ein weiteres Buch von Ibn Mâsawaih, „Al-Muschayyar Al-Kabîr“, ist in gewissem Maße eine tabellarisierte medizinische Enzyklopädie über Krankheiten und deren Behandlung mit Arzneimitteln und Diät. Andere Werke umfassen kurze Abhandlungen – wie beispielsweise eine Abhandlung über Gerstenwasser, wobei dessen Herstellung und therapeutische Verwendung erklärt werden. 





 





Ein Landsmann und jüngerer Kollege von Ibn Mâsawaih war Abû Hasan Alî ibn Sahl Rabbân At-Tabarî, geboren im Jahre 808. Im Alter von ungefähr 35 Jahren wurde er vom Kalifen Al-Mu'tasim (833-842) nach Samarra einbestellt, wo er als Regierungsbeamter und Arzt diente. 





 





At-Tabarî schrieb verschiedene medizinische Bücher, von denen sein Buch „Paradies der Weisheit“, das im Jahre 850 fertiggestellt wurde, das bekannteste ist. Neben Erörterungen über Krankheiten und deren Heilmittel enthält das Buch Erörterungen über die Natur des Menschen, Kosmologie, Embryologie, Temperamente, Psychotherapie, Hygiene, Diät, heilkundliche Anekdoten sowie Auszüge und Zitate aus indischem Quellenmaterial. Das Werk enthält zudem verschiedene Kapitel über die „Materia Medica“, Zerealien, Diäten, praktische Hinweise und therapeutische Verwendungen von Tier- und Vogelorganen sowie Arzneimittel und Methoden deren Zubereitung.





 





At-Tabarî drang darauf, dass der therapeutische Nutzen jedes Heilmittels mit der jeweils speziellen Krankheit in Übereinstimmung gebracht wird, wobei er die Mediziner dazu drängte, den Routineheilmitteln nicht zum Opfer zu fallen. Er machte die beste Quelle für verschiedene Komponenten ausfindig und erklärte, dass feinste schwarze Myrobalane aus Kabul stammt; Kleeschlotter aus Kreta; Aloe aus Sokotra und aromatische Gewürze aus Indien. Er war auch präzise darin, die Heilmittel zu beschreiben, wie etwa folgendermaßen:





 





…ein sehr nützliches Heilmittel, um den Magen anschwellen zu lassen; die Säfte des Leberblümchens (Wasserhanf) und Absinth müssen einige Tage eingenommen werden, nachdem sie auf Feuer gekocht und gesiebt wurden. Außerdem befreien bestäubte Stangenselleriesamen (Sumpfpetersilie) gemischt mit Riesenfenchel, zu Tabletten verarbeitet und mit einer geeigneten Flüssigkeit eingenommen von Magenblähungen und entlasten Gelenke und Rücken (Arthritis).





 





Zur Lagerung empfahl er Glas- oder Keramik-Gefäße für flüssige (feuchte) Arzneimittel, spezielle kleine Gefäße für Augenflüssigkeitsbalsam; und Bleibehälter für fettige Substanzen. Für die Behandlung von eiternden Wunden verschrieb er eine Wundsalbe, die aus Wachholderharz, Fett, Butter und Harz hergestellt wird. Außerdem warnte er, dass ein Mithqâl (ungefähr 4 Gramm) Opium oder Bilsenkraut Schlaf und sogar Tod verursachen kann.





 





Die erste medizinische Formelsammlung, die auf Arabisch geschrieben wurde, stammt von Aqrabadhin Sabur ibn Sahl (gestorben im Jahre 869). Darin gab er medizinische Rezepturen an und erklärte die Methoden und Techniken der Zusammensetzung dieser Heilmittel, deren pharmakologische Wirkungen; die jeweiligen Dosierungen und die Mittel zur Verabreichung. Die Formeln sind entsprechend den Zubereitungsklassen, zu denen sie passen – entweder Tabletten, Puder, Salben, Latwergen oder Sirupe – angeordnet.





 





Jede Klasse pharmazeutischer Zubereitungen wird einhergehend mit einer Auswahl an Zutaten präsentiert, die in einer bestimmten Art und Weise zubereitet werden. Sie unterscheiden sich jedoch in den verwendeten Zutaten, der empfohlenen Anwendung und den therapeutischen Wirkungen.





 





Saburs formelsammlungsartiges Kompendium ist einzigartig in seiner Organisation und wurde bewusst als Leitfaden für Apotheker geschrieben, und zwar entweder für die Verwendung in deren eigenen privaten Apotheken oder in Krankenhausapotheken. Als solches ist es die erste echte medizinische Formelsammlung.





 





Einige Bücher über Pharmazie wurden vom berühmten Gelehrten Ya'qûb ibn Ishâq Al-Kindî (gestorben 874) geschrieben. Seine Beiträge zur Philosophie, Mathematik und Astronomie waren allerdings bedeutsamer als die zur Medizin und zu Heilverfahren. Dennoch ist es ihm anzurechnen, dass er ein offener Kritiker von Alchemisten war und deren Verfahren und Behauptungen unter der gegebenen Sachlage als irreführend angriff.





 





Hunains Buch der „Zehn Abhandlungen über das Auge“ wurde im Jahre 245 (n. H.) / 860 (n. Chr.) fertiggestellt. Nachdem der Autor die ersten neun Abhandlungen fertiggestellt hatte, verspürte er die Notwendigkeit, eine abschließende Abhandlung zu verfassen, um den gemischten Arzneimitteln für medizinische Augenbehandlung treu zu bleiben.





 





Außerdem führte Hunain das Beispiel des Theriak, des universellen Gegenmittels gegen Vergiftungen, als ein Beispiel für die Anwendungen und therapeutischen Werte der Verwendung gemischter Arzneimittel, an. Hunain, dessen Übersetzungen buchstäblich deren Gewicht in Gold wert waren, übersetzte den Großteil der „Materia Medica“ von Dioskurides ins Arabische, was von seinem Kollegen Istifan ibn Basîl (in der Mitte des neunten Jahrhunderts) übernommen wurde. Infolgedessen wurden mehrere Bücher der „Materia Medica“ auf Arabisch geschrieben.





 





* Im Islâm erscheint das Sandelholz im frühen achten Jahrhundert oder möglicherweise früher zum ersten Mal in pharmazeutischen Präparaten. Es wurde bald mit dem Beruf in Verbindung gebracht: Und die Apotheker wurden als As-Saidanâni oder As-Saidalâni (derjenige, der Sandelholz verkauft oder damit handelt) bezeichnet. Das Wort Saidana bedeutete dann Apotheke.





 



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