Weinen ist eine große Gnade, die Allâh Seinen Dienern erwies, indem Er, der Erhabene, sagt:"Und dass Er es ist, Der zum Lachen und Weinen bringt." (Sûra 53:43)
Durch das Weinen spricht man dem Betrübten Trost zu. Durch das Weinen fühlt sich der Verletzte erleichtert und von den Sorgen des Lebens sowie von seinen Erschwernissen befreit. Das Weinen stellt einen Aspekt der Menschlichkeit des Propheten dar. Auch er erlebte unterschiedliche Situationen, durch die die Gefühle geweckt und Tränen vergossen wurden. Nicht nur aus Trauer und Schmerz flossen die Tränen des Propheten , es gab weitere Motive, wie Barmherzigkeit, Mitleid mit den Anderen, Sehnsucht, Liebe, und vor allem die Ehrfurcht vor Allâh, dem Erhabenen. Immer wenn der Prophet aus Ehrerbietung und Ehrfurcht vor Allâh, seinem Herrn, flehend und ihn anrufend stand, liefen ihm die Tränen über die Wangen. Dieses Bild wurde einmal von einem Gefährten des Propheten beschrieben, der sagte: "Ich sah den Propheten , wie seine Brust vor Weinen ein summendes Geräusch von sich gab, wie das Summen eines Teekessels." (An-Nasâ`î)
Ein ähnliches Bild beschrieb Â`ischa , die Mutter der Gläubigen, als sie sagte: "Eines Nachts stand der Prophet auf und sagte: «O Â`ischa! Lass mich meinem Herrn dienen.» Er wusch sich zum Gebet und begann zu beten, er hörte nicht eher auf zu weinen, bis sein Schoß durchnässt war. Alsdann weinte er und hörte nicht auf, bis sein Bart durchnässt war. Dann weinte er, und hörte nicht auf, bis der Boden nass wurde. Alsdann kam Bilâl , um zum Gebet aufzurufen. Als er ihn weinen sah, sagte er verwundert: «O Gesandter Allâhs! Du weinst, obwohl dir Allâh all deine vergangenen und zukünftigen Sünden vergab?» Der Prophet erwiderte: «Soll ich denn kein dankbarer Diener sein?»"Überliefertvon Ibn Hibbân.
Auch traten ihm die Tränen in die Augen, wenn er den Qurân hörte. Dies wurde uns durch Ibn Mas'ûd überliefert, der sagte: "Der Prophet sagte mir: «Lies mir vor!» Ich fragte ihn verwundert: «O Gesandter Allâhs, soll ich dir vortragen, wo er doch dir offenbart wurde?» Da sagte der Prophet : «Ja.» So trug ich ihm die Sûra An-Nisâ vor, und als ich den Vers: "Und wie, wenn Wir aus jedem Volk einen Zeugen herbeibringen und dich als Zeugen gegen diese herbeibringen?" (Sûra 4:41), erreichte, sagte er mir: «Dies genügt dir.» Ich wandte mich zu ihm um und sah wie seine Augen tränten." (Al-Buchârî)
Der Prophet weinte, weil er aus dem Schicksal des Menschen nach deren Tod Lehren zog. Von Al-Barâ ibn Âzib wurde überliefert, dass er sagte: "Wir waren einmal mit dem Propheten auf einer Beerdigung. Er setzte sich auf die Kante des Grabes und weinte, bis der Boden nass wurde. Als dann sagte er uns: «O meine Brüder! Für (genau) dieses sollt ihr euch vorbereiten.»" (Ibn Mâdscha)
Sein Weinen war so gefühlvoll, da er die Schrecken des Grabes kannte. In einer ähnlichen Situation sagte er deshalb: "Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, dann würdet ihr wenig lachen und viel weinen." (Buchârî und Muslim)
Auch aus Mitleid mit seiner Umma sowie aus Furcht um sie vor der Strafe Allâhs weinte der Prophet , wie es der Fall war, als er die Âya rezitierte: "Wenn Du sie bestrafst, sind sie Deine Diener, und wenn Du ihnen verzeihst, bist Du wahrlich der Allmächtige, der Allweise." (Sûra 5:118)
Er hob seine Hände und rief: "O Allâh! Meine Umma, meine Umma!", und brach in Tränen aus.
In der Schlacht von Badr weinte er aus Angst davor, dass diese Begegnung den Muslimen ein Ende bereiten könnte, falls sie von deren Gegnern besiegt würden. So berichtete Alî ibn Abû Tâlib : "Du sahst uns wahrlich alle schlafen, außer den Propheten , der unter einem Baum bis zum Morgen betete und weinte." (Ahmad)
Auch weinte er in dieser Schlacht, da ihm Allâh den milden Vorwurf erteilte: "Einem Propheten geziemt es nicht, Gefangene zu (be-)halten, sofern er nicht heftig auf dieser Erde gekämpft hat. Ihr wollt die Güter dieser Welt, Allâh aber will (für euch) das Jenseits. Und Allâh ist Erhaben, Allweise." (Sûra 8:67), da er von den Gefangenen das Lösegeld annahm. Er weinte so sehr, dass sich Umar um ihn sorgte.
Sein Leben lang musste er sich von nahen Verwandten und geliebten Menschen verabschieden, wie von seiner Mutter Âmina bint Wahb, seiner Frau Chadîdscha , seinem Onkel Hamza ibn Abdulmuttalib, seinem Sohn Ibrâhîm und vielen anderen Gefährten. Seine Tränen waren für seine tiefe Trauer und Trennungsschmerzen Zeugen.
Als sein Sohn Ibrâhîm verstarb, weinte er und sagte: "Die Augen weinen und das Herz trauert, doch wir sagen nur, was unserem Herrn wohlgefällt. Wir sind über deine Trennung, o Ibrâhîm, wahrlich sehr betrübt." (Al-Buchârî und Muslim)
Auch als der Prophet das Grab seiner Mutter besuchen ging, weinte er so sehr, dass die Leute, die ihn umgaben, auch in Tränen ausbrachen. Alsdann sagte er: "Besucht die Gräber, denn sie erinnern euch an den Tod." (Muslim)
An dem Tag, an dem eine seiner Töchter ihn berichten ließ, dass einer ihrer Söhne im Sterbebett lag, reagierte der Prophet nicht nur mit bloßen Worten, die zur Geduld anspornen oder Trost spenden. Seine Reaktion äußerte sich durch menschliche Gefühle, die die Herzen tief berührten und Verwunderung erregten, besonders in dem Augenblick, an dem er das Kind bei seinen letzten Atemzügen sah.
Als er über den Grund seines Weinens gefragt wurde, sagte er: "Es ist eine von Allâh gegebene Barmherzigkeit. Von Seinen Dienern erbarmt sich Allâh nur den Barmherzigen."(Muslim)
Anas berichtet, dass der Prophet die Todesnachricht von Zaid, Dscha'far, und Abdullâh Ibn Rawâha während des Feldzuges von Mu'ta überbrachte, indem er sagte: "Der Prophet sagte: «Zaid nahm das Banner und erlag. Daraufhin nahm es Dscha'far und erlag. Daraufhin nahm es Ibn Rawâha und erlag.» Dann fuhr er weinend fort: «Alsdann nahm das Banner ein Schwert von den Schwertern Allâhs.»" (Al-Buchârî)
Aus diesen prophetischen Haltungen sollte uns klar geworden sein, dass Weinen nicht unbedingt ein Zeichen der Unvollkommenheit oder der Charakterschwäche ist. Es ist vielmehr ein Zeichen der wahrhaftigen Gefühle, der tiefen Wachsamkeit des Herzens, oder des liebevollen Gemütes, solange man sich in Geduld übt. Lautes Klagen und Schreien missfallen jedoch Allâh, dem Erhabenen.