Beim Auswendiglernen dieser Sûra hatte ich kürzlich eine kleine Erleuchtung. Wenn ich auswendig lerne, dann verbinde ich dies normalerweise mit dem Lesen der Übersetzung, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was ich auswendig lerne. Die Sûra Al-Hadîd ist eine sehr interessante Sûra mit wichtigen Themen, wie Almosengeben und Glaubensstärke; sie beinhaltet das Beispiel jener, denen vor uns die Schrift gegeben wurde und deren Herzen sich auf Grund ihrer Taten verhärteten, Methoden, wie man das eigene Herz erweicht und andere Themen. Diese nachdenkende Betrachtung fokussiert auf das erste Thema.
Kürzlich habe ich mit dem Versuch begonnen, vom Qurân zu profitieren, indem ich mir selbst Fragen stelle, die dabei helfen, die Betrachtung der Verse an sich zu unterstützen. Fragen wie „Warum befindet sich der Vers hier und nicht an einer anderen Stelle der Sûra?“, „Worin steckt die Weisheit hinter der Platzierung des Verses an dieser speziellen Stelle der Sûra?“, „Wovon handelt dieser Abschnitt im Großen und Ganzen?“ und weitere ähnliche Fragen. Ich tat dies mit Sûra Al-Hadîd und stolperte über eine erstaunliche Verbindung innerhalb der Sûra, speziell in den Versen 11-18.
Vers 11 wirft eine Frage auf. Allâh der Hocherhabene sagt: „Wer ist es denn, der Allâh ein gutes Darlehen gibt? So wird Er es ihm vervielfachen; und für ihn wird es trefflichen Lohn geben.“ (Sûra 57:11).
Die vorangehenden Verse führen zu dieser Frage – Allâh der Hocherhabene ermahnt die Gläubigen systematisch dazu, um Allâhs willen herzugeben, indem Er wiederholt erwähnt, wer Er ist und wie groß Er ist. Er sagt dann: „Und was ist mit euch, dass ihr nicht auf Allâhs Weg ausgeben sollt, wo doch das Erbe der Himmel und der Erde Allâh gehört…“ (Sûra 57:10). Dies ist die Schlüsselstelle des vorangestellten Abschnitts - dass Allâh der Hocherhabene unseren Besitz nicht benötigt; vielmehr geben wir auf Seinem Wege und zu Seinem Wohlgefallen her, da wir es im Diesseits und im Jenseits vervielfacht wiederbekommen möchten.
Wir müssen uns die Frage in Vers 11 selbst stellen! Wie oft gebe ich Almosen? Wie oft bin ich großmütig und gebe um Allâhs des Hocherhabenen willen her?
Nachdem man sich diese Frage gestellt hat, springt der nächste Vers zu einem scheinbar anderen Thema – die Gläubigen und die Heuchler am Tag der Abrechnung am „Sirât“ (schmale Brücke, die über die Hölle gespannt ist) und die starke Differenz zwischen deren Situationen und der Unterhaltung, die zwischen ihnen stattfindet. Allâh der Hocherhabene berichtet uns darüber, indem Er sagt:
„Am Tag, da du siehst, wie den gläubigen Männern und den gläubigen Frauen ihr Licht vorauseilt und (ebenso) zu ihrer Rechten: »Die frohe Botschaft für euch heute: Gärten, durcheilt von Bächen, ewig darin zu bleiben. Das ist der großartige Erfolg.« Am Tag, da die Heuchler und die Heuchlerinnen zu denjenigen, die glauben, sagen: »Wartet auf uns, dass wir (unser Licht) von eurem Licht nehmen.« Es wird (zu ihnen) gesagt werden: »Geht doch nach hinten zurück und sucht dort nach Licht.« Da wird zwischen ihnen eine (Schutz)mauer gesetzt mit einem Tor, zu dessen Innenseite die Barmherzigkeit und zu dessen Außenseite, davor, die Strafe ist. Sie rufen ihnen zu: »Waren wir nicht mit euch?« Sie werden sagen: »Ja doch, aber ihr habt euch selbst der Versuchung ausgesetzt, ihr habt abgewartet und gezweifelt, und die Wünsche haben euch getäuscht, bis Allâhs Befehl kam. Und getäuscht hat euch hinsichtlich Allâhs der Täuscher.«“ (Sûra 57:12-14).
Lasst uns den Verlauf der Verse in unserem Kontext untersuchen:
Vers 12 handelt von den Gläubigen, denen am Tage, an dem sie den „Sirât“ überqueren müssen, von Allâh dem Hocherhabenen Licht gewährt wird, das ihnen dabei hilft, die Brücke zu überqueren. Lasst uns dies mit den Heuchlern in Vers 13 vergleichen, die hinter den Gläubigen her sein werden, danach trachtend, sich selbst ein wenig Licht zu sichern, da ihr Licht auf Grund ihrer Heuchelei verschwinden wird! Die Gläubigen werden sie dazu auffordern, zurückzugehen, um dort nach Licht zu suchen, und Allâh der Hocherhabene wird veranlassen, dass eine Mauer zwischen beiden Gruppen gesetzt wird, wobei auf der Seite der Gläubigen Barmherzigkeit herrscht und auf der anderen Seite Bestrafung. Die Heuchler werden dann den Gläubigen zurufen und fragen, was die jetzige Trennung veranlasst hat, um sie daran zu erinnern, dass sie im diesseitigen Leben zusammen waren. Die Gläubigen antworten: „… »Ja doch, aber ihr habt euch selbst der Versuchung ausgesetzt, ihr habt abgewartet und gezweifelt, und die Wünsche haben euch getäuscht, bis Allâhs Befehl kam…“ (Sûra 57:14).
Lasst uns diese Antwort von den Gläubigen untersuchen, während wir das Thema Almosengeben im Gedächtnis behalten:
1) Sich selbst der Versuchung aussetzen
2) Darauf warten, dass die Gläubigen Leid trifft
3) Zweifel
4) Wunschdenken
Die Frage muss dann natürlich lauten: Wie sind diese vier verschiedenen Dinge mit dem Hauptthema des Abschnitts – auf Allâhs Weg hergeben – verbunden? Lasst uns dies näher untersuchen:
1) Sich selbst der Versuchung aussetzen: Das entsprechende Wort wird im Arabischen von „Fitna“ abgeleitet. „Fitna“ stellt eine Prüfung dar, die den Menschen, der ihr unterzogen wird, reinigen soll, wenn er sich dazu entschließt, auf diese in der richtigen Weise zu reagieren. Der Mensch möchte keine „Fitna“ und möchte nicht in eine „Fitna“ verwickelt werden. Diese Menschen setzten sich jedoch selbst der „Fitna“ aus - wie eigenartig! Wie kann sich ein Mensch selbst Leid, Sünden und Problemen in Zusammenhang mit Vermögen aussetzen? Eine einleuchtende Antwort lautet, dass sie sich für Dinge hoch verschulden, die sie nicht benötigen, und mit Zinsen) handeln. Die meisten Menschen brauchen keine hohen Kredite aufzunehmen, nur um später Zinsen dafür zu zahlen! Man muss kein 2.000-Euro-Sofa kaufen, das man sich womöglich nicht leisten kann, wenn man sich eines für 500 Euro kaufen kann, das ebenfalls ohne Probleme die eigenen Bedürfnisse erfüllt! Dies hindert einen daran, um Allâhs des Hocherhabenen willen herzugeben, weil man sich nun Sorgen darum machen muss, wie man den Kredit und die Zinsen abzahlen kann. Sagt nicht Allâh: „… Und handle nicht ganz verschwenderisch. Gewiss, die Verschwender sind die Brüder der Satane; und der Satan ist gegenüber seinem Herrn sehr undankbar.“ (Sûra 17:26-27)?
2) Darauf warten, dass die Gläubigen Leid trifft. Diese Menschen, die vermuteten, dass diejenigen, die Almosen geben, naiv seien, warteten darauf, dass sie von Problemen heimgesucht werden und machten sich gelegentlich über sie lustig. „Diejenigen, die gegen die Freiwilligen unter den Gläubigen wegen der Almosen verhöhnen und (auch) gegen diejenigen, die nichts als ihre Mühe (als Leistung zu erbringen) finden, und dann über sie spotten - Allâh spottet über sie, und für sie wird es schmerzhafte Strafe geben.“ (Sûra 9:79).
3) Zweifel. Was hindert einen Menschen daran, Almosen zu geben, wenn nicht ein Mangel an Vertrauen auf Allâh den Hocherhabenen und Zweifel an Seinem Versprechen, dass Er uns unser Geld zurückgeben wird? Allâh der Hocherhabene sagt: „Der Satan verspricht euch Armut …“ (Sûra 2:268). Und Er sagt auch: „Sag: Gewiss, mein Herr gewährt die Versorgung großzügig, wem von Seinen Dienern Er will, und bemisst auch. Und was immer ihr auch ausgebt, so wird Er es euch ersetzen, und Er ist der Beste der Versorger.“ (Sûra 34:39). Und der Gesandte Allâhs (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Almosengeben mindert das Vermögen nicht.“ (Muslim).
4) Wunschdenken. Es ist die klassische Einstellung: „Ich werde Almosen geben, wenn ich mehr Geld bekomme.“ Und dies ist ein Anzeichen für Heuchelei, da Allâh der Hocherhabene sagt: „Unter ihnen gibt es manche, die gegenüber Allâh eine Verpflichtung eingegangen sind: Wenn Er uns etwas von Seiner Huld gewährt, werden wir ganz gewiss Almosen geben und ganz gewiss zu den Rechtschaffenen gehören. Als Er ihnen aber von Seiner Huld gewährt hatte, geizten sie damit, und sie kehrten sich widerstrebend ab. So setzte Er als Folge davon in ihre Herzen Heuchelei bis zum Tag, an dem sie Ihm begegnen werden, dafür, dass sie gegenüber Allâh brachen, was sie Ihm versprochen hatten, und dass sie zu lügen pflegten.“ (Sûra 9:75-77).
Fallen unsere Gründe, keine Almosen zu geben, nicht in eine oder mehrere dieser vier Kategorien? Allâh der Hocherhabene sagt dann:
„So wird heute von euch kein Lösegeld angenommen und auch nicht von denjenigen, die ungläubig sind. Euer Zufluchtsort ist das (Höllen)feuer; es ist euer Schutzherr - ein schlimmer Ausgang!“ (Sûra 57:15).
Was ist gewöhnlicherweise Lösegeld? Geld – etwas von finanziellem Wert. Da sie im Diesseits keine Almosen gaben, werden sie dann in ihrem Kummer Almosen geben wollen – doch es ist zu spät, sie können sich selbst an diesem Tag nicht loskaufen, auch wenn sie die Mittel dafür hätten, dies zu tun: „… von keinem von ihnen würde die (ganze) Erde voll Gold angenommen werden, auch wenn er sich damit loskaufen wollte…“ (Sûra 3:91).
Dann, nachdem Allâh der Hocherhabene uns über den Zustand der beiden Parteien an diesem Tag informiert hat, stellt Er eine Frage: „Ist es denn nicht Zeit für diejenigen, die glauben, dass ihre Herzen demütig werden vor Allâhs Ermahnung und vor dem, was von der Wahrheit herabgekommen ist, und dass sie nicht wie diejenigen sind, denen zuvor die Schrift gegeben wurde, es ihnen aber zu lang gedauert hat, und so ihre Herzen sich verhärtet haben? Und viele von ihnen sind Frevler. Wisst, dass Allâh die Erde nach ihrem Tod wieder lebendig macht. Wir haben euch die Zeichen bereits klargemacht, auf dass ihr begreifen möget.“ (Sûra 57:16-17).
Zu den vielen Vorteilen dieser beiden Verse gehört, dass es hier in unserem Zusammenhang eine Ermahnung ist, dass das Versprechen Allâhs des Hocherhabenen wahr ist – Er ist Derjenige, Der die Herzen belebt, genauso wie Er die Erde belebt, nachdem sie gestorben ist. Damit es, falls wir beim Almosengeben auf Seinem Wege nachlässig waren, es nicht zu spät ist, jetzt damit zu beginnen!
Und um schließlich auf die Frage zurückzukommen, mit der dieser Abschnitt begonnen hat, so wird uns die Antwort auf diese allererste Frage von Allâh gegeben. Wer sind diejenigen, die Allâh dem Hocherhabenen ein gutes Darlehen geben, damit es ihnen vervielfacht wird und sie einen trefflichen Lohn bekommen?
„Gewiss, denjenigen Männern, die Almosen geben und denjenigen Frauen, die Almosen geben und (damit) ein gutes Darlehen geben, wird es vervielfacht werden; und für sie wird es trefflichen Lohn geben.“ (Sûra 57:18).
Es sind diejenigen, die Almosen geben. Demnach lautet die Frage, die wir uns stellen müssen: Gehören wir zu ihnen?
Sprich über das Erweichen der Herzen der Gläubigen beim Almosengeben! Stell dir vor, wie viel erfolgreicher die Spendensammler der Moschee beim Versuch, Spenden zu sammeln, wären, wenn sie diese Methode anwenden würden, anstatt dieselbe bewährte und erprobte Methode (die natürlich funktioniert, jedoch vielleicht ein wenig Feinschliff benötigt) anzuwenden!
Siehe Sûra 2:261!
Die Brücke, die am Tage des Gerichts überquert werden muss. Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Die „Sirât“-Brücke wird über die Hölle gespannt werden. Der erste Prophet, der sie mit seiner Gemeinschaft überqueren wird, werde ich sein.“ (Al-Buchârî).