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Wir verbringen unser Leben in verschiedenen Schubladen. Wir leben in Schubladen, die von der Außenwelt abgeschottet sind. Wir fühlen erst die Hitze der brennenden Sonne, wenn sie unser Dasein durchdringt, und wir erleben die kalten Winterböen erst dann, wenn unsere Knochen frösteln. Wir wagen uns aus diesen Schubladen heraus, um andere Schubladen zu betreten, die den Bedingungen unseres Heimes entsprechen. Wenn der Tag angenehm ist, dann gönnen wir uns einen Hauch von der Brise außerhalb, verbringen möglicherweise einige Stunden im Freien, und kehren dann befreit in unsere klimatisierten Wohnzimmer zurück.





 





Es gibt auch einige immaterielle Schubladen, in denen wir leben. Unsere Erinnerungen umgeben uns ständig. Sie sind stille Unterhaltungen, die sich ständig in unserem Gedächtnis abspielen. Wir erinnern uns an freudige Momente oder sind von zehrender Trauer geplagt. Da jeder erlebte Augenblick irgendwann ins Gedächtnis zurückkommt, verändert sich die Schrift auf den Glaswänden dieser Schublade ständig. Inmitten der alltäglichen Routinen des Diesseits erinnert man sich möglicherweise an einen freudigen Augenblick vor vielen Jahren – vielleicht an die Gesellschaft eines teuren Freundes, einen Witz, einen Tag am Meer, und unser kleiner Glaskasten wird sich mit Licht füllen und alles von ihm Betrachtete wird aufleuchten. Oder vielleicht erinnert man sich an einen Groll oder ein älterer oder neuerer Kampf kommt einem in den Sinn und die Wände der Erinnerungen werden durch Trauer verdüstert. Hässliche Worte, die vor Jahren fielen, verfinstern einem das Gesicht und die ganze Welt erscheint einem düster. 





 





Es gibt eine elitäre Gruppe von Menschen, die man in seine unsichtbare Schublade lässt. Es sind diejenigen, denen man vertraut. Sie sind einem so nahe, dass sie ihre Erinnerungen neben den eigenen auf die Glaswände schreiben, und es ist, als hätte man indirekt ihre Erlebnisse miterlebt. Durch tiefgründige Unterhaltungen und jahrelange Freundschaft haben sie die eigenen Meinungen und Weltanschauungen geformt, genauso wie man selbst ihre geformt hat. Die Herzen solcher Freunde schlagen synchron mit den gemeinsamen Gedanken. Dies trifft besonders auf Freunde zu, die im Glauben vereint sind. Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) beschrieb sie: „Der Gläubige ist dem Gläubigen ein Spiegel. Der Gläubige ist dem Gläubigen ein Bruder. Er bewahrt ihn vor Verlust und schützt ihn in seiner Abwesenheit.“ (Abû Dâwûd Nummer 4918 und Al-Buchârî in Al-Adab Al-Mufrad Nummer 239 von Abû Huraira).    





 





Dies geschieht, bis jemand kommt und hässliche Graffitis über deinen Freund/deine Freundin auf deine Wand der Erinnerungen sprüht.





 





Dies könnte ein abwegiger Gedanke sein, der vom Satan eingeflüstert wird. Es könnte aber auch ein echter Groll sein, der vernachlässigt im Herzen zurückgelassen wurde. Jedenfalls hat irgendjemand ein hässliches Graffiti über deinen Freund an die Wand gesprüht. Du bist dir nicht sicher, woher es kommt. Du bist dir nicht einmal sicher, wer es gesprüht hat. Hast du es selbst in einem Wutanfall aufgesprüht oder kam ein Fremder mit einem Stück boshaftem, anstößigem Klatsch und du hörtest zu? Hast du einem Außenstehenden erlaubt, in deine verschlossenen Gedanken einzudringen? Oder war es jemand, der bereits Zugang zu deinen Gedanken hatte? Gerüchte und Verdächtigungen fressen an deinen Gedanken, wenn du versuchst die guten Erinnerungen abzurufen. Doch dieses boshafte Geschmier scheint im Laufe der Zeit größer zu werden und wirft seinen hässlichen Schatten auf alle anderen Erinnerungen.





 





Wenn sich nun dein Freund nähert, ist ihr deine Erinnerungsschublade nicht mehr erlaubt. Zunächst ist ihm nicht bewusst, dass er ausgeschlossen wurde und dass man, wenn man ihn durch das Glas anschaut, lediglich Worte des Verdachts, des Tadels und der Trauer quer über sein Gesicht verschmiert sieht. Seine Worte, egal wie aufrichtig sie sein mögen, dringen nicht hindurch. Sie sind umhüllt von deinen Gefühlen der Entrüstung und des Kummers. „Wie konnte er das tun?“ fragst du dich. So wie sich die Beziehung verschlechtert, bittet der Freund dich eindringlich darum, ihn wieder zurück in dein Leben zu lassen, doch nun ist das hässliche Stück verdächtiges Gerede im eigenen Gehirn verankert und es scheint, als könnte es nichts entfernen. Entweder regt sich dein Freund auf und wird laut in ihren Protesten oder er gibt auf und schweigt. Dann wendest du dich ihm zu und was du siehst, missfällt dir. Allâh der Hocherhabene warnt uns hiervor in Sûra Al-Hudschurât:





 





„O die ihr glaubt, meidet viel von den Mutmaßungen; gewiss, manche Mutmaßung ist Sünde. Und sucht nicht (andere) auszukundschaften und führt nicht üble Nachrede übereinander. Möchte denn einer von euch gern das Fleisch seines Bruders, wenn er tot sei, essen? Es wäre euch doch zuwider. Fürchtet Allâh. Gewiss, Allâh ist Reue-Annehmend und Barmherzig.“ (Sûra 49:12).  





 





Doch würden Menschen, deren Herzen mit der Liebe Allâhs des Hocherhabenen und Seines Gesandten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) schlagen, sich gegenseitig tatsächlich in dieser abscheulichen Art und Weise behandeln? Vielmehr wenden sie sich dem Qurân und der Sunna zu und klären ihre Meinungsverschiedenheiten in gütiger Weise. Wir vergessen, dass das Diesseits eine Prüfung ist. Diese Gedächtnislücke macht das obengenannte Szenario sogar noch schwieriger begreifbar für uns. Wir fragen uns: „Wie konnte das passieren?“ Die Wahrheit ist, dass Meinungsverschiedenheiten ein Teil unseres Lebens sind.





 





Einige Jahre, nachdem Allâh der Hocherhabene unserem Urvater Adam (Friede sei mit ihm) und dessen Frau anordnete, das Paradies zu verlassen, hatten die Auseinandersetzungen und Verdächtigungen zwischen seinen Söhnen bereits begonnen.





 





„Und verlies ihnen die Kunde von den beiden Söhnen Adams, der Wahrheit entsprechend, als sie ein Opfer darbrachten. Da wurde es von dem einen von ihnen angenommen, während es vom anderen nicht angenommen wurde. Der sagte: »Ich werde dich ganz gewiss töten.« Der andere sagte: »Allâh nimmt nur von den Gottesfürchtigen an.«“ (Sûra 5:27).  





 





Die Meinungsverschiedenheiten werden uns bis zum Tag des Gerichts und darüber hinaus plagen; fast bis zu den Toren des Paradieses. So Allâh will, kommen wir überhaupt so weit!





 





„Die Gläubigen werden vor dem Feuer errettet. Dann werden sie auf einer Brücke zwischen dem Paradies und der Hölle festgehalten. Sie bezahlen gegenseitig ihre Rechnungen für jegliche Missstände, die im Diesseits zwischen ihnen bestanden, bis sie geläutert und gereinigt sind und ihnen erlaubt wird, das Paradies zu betreten. Bei Dem Einen, in Dessen Hand die Seele Muhammads liegt: Jeder von ihnen wird seine Wohnstätte im Paradies besser kennen als seine Wohnstätte im Diesseits.“ (Sahîh Al-Buchârî, Kitâb Ar-Riqâq, Bâb Al-Qasas Yaum al-Qiyâma, Fath Al-Bârî, 11/395).





 





Der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Ich bat meinen Herrn um drei Dinge, doch Er gab mir zwei und verwehrte mir eines. Ich bat meinen Herrn, dass meine Gemeinschaft nicht von einer Dürre vernichtet wird. Dies gewährte Er mir. Und ich bat Ihn darum, dass meine Gemeinschaft nicht durch Ertrinken vernichtet wird. Und Er gewährte es mir. Und ich bat Ihn darum, dass es keine Kämpfe zwischen ihnen gibt, doch Er gewährte es mir nicht.“ (Muslim Nummer 2890 und andere).





 





Die Streitigkeiten werden nicht verschwinden, doch nicht alles ist verloren. Wie bei allen anderen Prüfungen des Diesseits, bestehen wir manchmal und versagen wir manchmal. Doch als Gläubige geben wir niemals auf. Die bösen Worte, die unsere Gedanken verschmutzen, sind nicht mit unauslöschlicher Tinte geschrieben. Sie können weggewischt werden, und die moralische Stärke, die benötigt wird, um dies zu tun, kann durch ständiges Qurân-Rezitieren erlangt werden. Der Groll und die Trauer müssen durch die Worte „Entschuldige und sieh darüber hinweg!“ ersetzt werden. Allâh der Hocherhabene ordnet den Gläubigen an, umzublättern und keinen Groll zu hegen, wenn raue Worte unsere Beziehungen beeinträchtigen. Sei es mit Familienmitgliedern oder mit Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften.





 





Vielleicht wird nicht jeder Streit zwangsläufig gelöst, doch wir sollten ständig daran arbeiten, die Mutmaßungen aus unseren Herzen zu entfernen, damit Friede in unsere unsichtbare Erinnerungsschublade zurückkehrt und wir zur Anbetung Allâhs des Hocherhabenen mit einem geläuterten Herzen zurückkehren können!





 





„Die gläubigen Männer und Frauen sind einer des anderen Beschützer. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche, verrichten das Gebet und entrichten die Abgabe und gehorchen Allâh und Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Allâh Sich erbarmen wird. Gewiss, Allâh ist Allmächtig und Allweise.“ (Sûra 9:71).



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