Nach einer achttägigen Reise kam der Prophet am 8. Rabî Al-Awwal im 14. Jahr der Prophetenschaft (das entspricht dem 23. September 622 n. Chr.) mittags in Qubâ an. Qubâ ist einige wenige Kilometer von Madîna entfernt und wurde allgemein als ein Vorort Madînas angesehen. Die Stadt wurde größtenteils von den Banû Amr ibn Auf (ein arabischer Stamm), der bereits vom Islâm erleuchtet worden war, bewohnt. Einige Tage vor der Abreise des Propheten aus Makka lag die Nachricht seiner voraussichtlichen Ankunft in Madîna in der Luft. Die „Ansâr“ (Helfer des Propheten und der Ausgewanderten) von Madîna kamen jeden Tag früh morgens aus ihren Wohnungen und warteten bis mittags. Deshalb waren sie, als der Prophet mittags in Qubâ eintraf, bereits zurückgegangen, nachdem sie einige Zeit gewartet hatten.
Ein bestimmter Jude, der die Menschenmengen der Muslime aus ihren Siedlungen herauskommen sah, als würden sie auf jemanden warten, wusste, dass Muhammad aus Makka herannahte. Dieser Jude war, wie es das Schicksal so wollte, auf dem Dach, als er die kleine Karawane nach Qubâ hineinkommen sah. Da er glaubte, dass es die Karawane des Propheten sei, rief er so laut er konnte: „O Leute Arabiens! O ihr, die ihr mittags ausspannt! Euer Gefährte ist gekommen!“ Nachdem die Leute diesen Ruf gehört hatten, eilten sie aus ihren Wohnungen und Freudenwogen ergriffen die ganze Atmosphäre in Qubâ. Er tauchte aus einem Dattelgarten auf. Eingedenk der Tatsache, dass die Leute hinsichtlich des Erkennens des Propheten ihn vielleicht verwechseln könnten, hielt Abû Bakr sich zurück und spendete dem Propheten mit seinem Mantel Schatten und zog dadurch eine deutliche Abgrenzung zwischen dem Propheten und dem Gefährten.
Der Prophet betrat nun Qubâ und die jungen Mädchen der Ansâr rezitierten mit großem Eifer und grenzenloser Freude:
„Am Abhang, von wo aus Karawanen verabschiedet werden,
Geht der Vollmond tagsüber auf.
Währenddessen wird Allâh gepriesen.
Wir sollten unseren Dank erwidern
Dem Edlen, den Du uns geschickt hast,
Du hast bindende Anordnungen gebracht.“
Der Bau der Qubâ-Moschee
Der Prophet betrat Quba am Montag und blieb bis Freitag dort. Er wohnte im Haus von Chulthûm ibn Hadm, während Abû Bakr bei Habîb ibn Asaf wohnte. Er hielt seine Versammlungen im Haus von Sa’d ibn Chaithama und die Leute besuchten ihn dort. Während dieses kurzen Aufenthaltes in Qubâ leitete er die Gründung einer Moschee, die überhaupt die erste Moschee ist, die nach dem Aufkommen des Islâm gebaut wurde. Am Freitag, dem 12. Rabî Al-Awwal verließ er Qubâ und gelangte nach Madîna. Er war noch in Qubâ, als Alî ibn Abû Tâlib kam und sich ihm anschloss. Alî hatte diese lange und anstrengende Reise zu Fuß unternommen. Während der Prophet in Qubâ verweilte, wurde Alî , der damit beschäftigt gewesen war, die Treuhandgüter der Makkaner deren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben, mit der Ehre gesegnet, sich dem Propheten anzuschließen. Er hatte Makka ungefähr zu der Zeit verlassen, als der Prophet die Höhle Thaur verließ. Doch da Alî allein reiste, bewegte er sich nachts und blieb tagsüber versteckt. Der Prophet vermied belebte Straßen und erreichte Qubâ nach acht Tagen, wohingegen Alî die Reise auf den gut bekannten Wegen unternahm, jedoch drei oder vier Tage später ankam, da er ja zu Fuß unterwegs war.
Die Ankunft in Madîna
Der Prophet nahm am Freitag Abschied von den Leuten in Qubâ und von den Banû Amr ibn Auf und ging weiter, um sich in Madîna niederzulassen. Jeder Haushalt eines jeden Viertels drückte seinen tiefen Wunsch aus, dass der Prophet bei ihm bleiben werde. Als die Zeit zum Freitagsgebet nahte, befand er sich im Viertel der Banû Sâlim ibn Auf. Der Prophet betete im Viertel der Banû Sâlim ibn Auf auf einem Feld vor, wobei ungefähr einhundert Mann hinter ihm waren. Dies war das erste Freitagsgebet des Propheten in Madîna und das erste Mal überhaupt, dass die Freitagsansprache (Chutba) gehalten wurde. Später wurde eine Moschee an dieser Stelle gebaut.
Nachdem der Prophet das Freitagsgebet abgehalten hatte, bestieg er seine Kamelstute. Sâlim ibn Auf trat an ihn heran und ergriff die Zügel seiner Kamelstute und verlangte, dass er bei ihnen bleibe. Leute anderer Stämme und Viertel kamen ebenfalls gruppenweise und verlangten dasselbe. Dies führte zu einem Wortgefecht, das damit endete, dass der Prophet zu allen miteinander sagte: „Lasst die Kamelstute laufen! Sie wird von Allah geführt. Ich werde anhalten, wo sich das Tier niederkniet.“ Die Ansâr und die Muhâdschirûn (die Ausgewanderten) folgten der Kamelstute auf Schritt und Tritt. Er ließ die Zügel locker und die Kamelstute bewegte sich langsam fort. Alle Augen konzentrierten sich auf das Tier und sie warteten gespannt darauf, dass es sich niederkniet.
Als die Kamelstute das Viertel der Banû Biyâda betrat, wollten die Stammesführer Ziyâd ibn Labîd und Urwa ibn Amr die Zügel ergreifen, doch der Prophet verbot es ihnen, indem er sagte: „Lasst sie, denn ihr wurde bereits Anweisung erteilt!“ Dann betrat die Kamelstute das Viertel der Banû Sâ’ida und die Stammesführer Sa’d ibn Ubâda und Mundhir ibn Amr unternahmen den gleichen Versuch. Sie bekamen die gleichen Worte vom Propheten zu hören. Danach erreichten sie das Viertel der Banû Al-Hârith ibn Al-Chazradsch, und Sa’d ibn Ar-Rabî, Châridscha ibn Zaid und Abdullâh ibn Rawâha traten hervor, um die Kamelstute anzuhalten, erhielten jedoch dieselbe Antwort. Von dort aus betrat die Kamelstute das Viertel der Banû Adî ibn An-Nadschâr. Da Abdulmuttalibs Mutter, Salma bint Amr, diesem Stamm angehörte, verlangten sie, dass der Prophet dort anhalten solle. Dann ergriffen die Stammesführer der Banû Adi, Salît ibn Qais und Asira ibn Abû Châridscha die Zügel, doch er bat sie, sie loszulassen, da das Tier vorrangige Anweisungen hat. Schließlich erreichte die Kamelstute das Viertel der Banû Mâlik ibn An-Nadschâr und kniete eine Zeit lang auf einer verlassenen und kahlen Fläche nieder und stand dann auf und schritt ein wenig fort, nur um dann wieder zurückzukehren und sich wieder auf dieselbe Stelle zu setzen. Dieses Mal schüttelte sie sich, legte ihren Hals auf den Boden und bewegte ihren Schwanz.
Nahe dieses unbewohnten Grundstückes befand sich das Haus von Abû Aiyûb Châlid ibn Zaid Al-Ansârî . Er eilte mit einem freudestrahlenden Gesicht zu der Stelle und brachte die Habseligkeiten des Propheten in sein Haus. Das verlassene Grundstück war das Eigentum zweier Waisenjungen, namens Sahl und Suhail. Es umfasste einige Dattelpalmen, einige Gräber von Polytheisten und einen Rastplatz für Viehherden. „Wer ist der Besitzer dieses Grundstückes?“, fragte der Prophet . Mu’âdh ibn Afra antwortete: „Dieses Grundstück gehört zwei Waisenjungen, die mit mir verwandt sind und für die ich sorge. Ich werde sie dazu bringen, zuzustimmen. Du kannst es haben, um eine Moschee zu bauen.“ Doch der Prophet setzte durch: „Ich will es kaufen und ich werde es nicht nehmen, ohne dessen Preis zu zahlen.“ Abû Bakr bezahlte sofort. Auf Anordnung des Propheten wurden sogleich die Dattelpalmen gefällt und mit den Aufbauarbeiten der Moschee begonnen. Der Prophet schloss sich den Arbeitern an. Die Wände der Moschee wurden aus Stein und Lehm gebaut, das Dach aus Holz und Blättern der Dattelpalmen. Bis das Haus des Propheten gebaut war, lebte er sechs Monate und einige Tage lang weiter bei Abû Aiyûb Al-Ansârî .
Die Moschee, die zur Zeit des Propheten gebaut wurde, erfuhr vor dem Kalîfat Umars keinerlei Veränderung. Während dessen Kalîfats wurde sie zum ersten Mal einem Ausbau unterzogen. Uthmân ibn Affân festigte sie. In der Zeit von Al-Walîd ibn Abdulmalik erfuhr sie einen weiteren Ausbau mit der Einbindung der Wohnungen der edlen Ehefrauen des Propheten .
Der Prophet befand sich im Haus von Abû Aiyûb Al-Ansârî, als er Zaid ibn Harîtha und Abû Râfi schickte, um Fâtima, Umm Kulthûm, Sauda bint Zam’a, Usâma ibn Zaid und dessen Mutter sowie Umm Aiman zu holen. Talha ibn Ubaidullâh und Abdullâh ibn Abû Bakr und dessen Verwandte begleiteten sie ebenfalls. Nach Ankunft dieser Leute zog der Prophet in sein neu gebautes Heim.