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Im Qurân findet man viele Verse, die darauf hinweisen, dass kein Mensch für die Sünden anderer verantwortlich ist, sowie er auch nicht für die Tat eines anderen zur Rechenschaft gezogen wird: "Jede Seele erwirbt nur gegen sich selbst. Und keine lasttragende (Seele) nimmt die Last einer anderen auf sich.“ (Sûra 6:164) "Jedermann ist an das, was er erworben hat, gebunden.“ (Sûra 52:21) und ähnliche Verse gleichen Inhalts.





 





Andererseits gibt es Verse, die darauf hindeuten, dass die Strafe auch Menschen betrifft, die die Sünde nicht selbst begangen haben: "Und hütet euch vor einer Versuchung, die nicht nur besonders diejenigen von euch treffen wird, die Unrecht taten.“ (Sûra 8:25) "Und wenn Wir eine Stadt zu zerstören beabsichtigen, lassen Wir Unser Gebot an ihre Reichen ergehen; sie aber freveln darin, so wird der Richterspruch fällig gegen sie, und Wir zerstören sie bis auf den Grund.“ (Sûra 17:16). Diese zwei Verse deuten darauf hin, dass die Strafe Allâhs alle Menschen trifft, obwohl nicht alle sündigten, sondern nur eine bestimmte Gruppe unter ihnen. Im ersten Vers heißt diese Gruppe "diejenigen, die Unrecht taten" und im zweiten "die Reichen".





 





Wer diese Verse unaufmerksam überfliegt, könnte meinen, es handle sich um einen Widerspruch, da einige Verse die Strafe auf die Sünder beschränken, wohingegen andere Verse allgemein von der Bestrafung der Täter wie auch der Unbeteiligten sprechen. Dies ist in der weltlichen Gesetzgebung Unrecht, wie kann es dann in der Gesetzgebung des Schöpfers der Menschheit rechtens sein? Dies ist der augenscheinliche Widerspruch zwischen den oben erwähnten Versen.





 





Die Gelehrten antworteten auf diese Frage sehr ausführlich und entkräftigten die Einwände der scheinbaren Widersprüche in den erwähnten Versen folgendermaßen:





 





Grundsätzlich sollen nur die Übeltäter bestraft werden. Da Menschen jedoch in einer Gesellschaft leben und Freud und Leid miteinander teilen, müssen sie die Verantwortung gegenüber der Gruppe zur Aufrechterhaltung ihrer Gesellschaft auf sich nehmen. Versucht jemand die Gesellschaft zu gefährden, so müssen ihn die anderen davon abhalten und ihre Gesellschaft verteidigen, tun sie dies nicht, müssen sie die Konsequenzen dieser Nachlässigkeit tragen.





 





Die Bestrafung ist also eigentlich auf den Täter beschränkt, solange dessen Sünde die Gesellschaft nicht gefährdet. Überschreitet die Tat jedoch die Grenze des Privaten, muss die Gemeinschaft eingreifen um ihre Rechte und ihre Sicherheit zu wahren. Wer dies nicht tut, handelt fahrlässig und muss die Konsequenzen dieser Fahrlässigkeit tragen.





 





Zum besseren Verständnis führen wir ein Beispiel an: Begeht ein Kind etwas, das der Gesellschaft schadet: wenn es einen Anwohner beleidigt, aus einem Nachbarhaus stiehlt oder dergleichen, kann man sich nicht einfach nur mit der Bestrafung des Kindes begnügen. Vielmehr sollte man auch dessen Vater dafür zur Rechenschaft ziehen, da er der Aufgabe sein Kind zu erziehen nicht ausreichend nachgekommen ist. Er muss daher die Verantwortung für das Verhalten seines Kindes tragen. Sollte er behaupten, keine Schuld am Verhalten seines Kindes zu haben, so darf man diese Behauptung nicht akzeptieren.





 





Das Gleiche gilt auch für Verse wie diese, die davon sprechen dass die Mitglieder einer Gesellschaft ihre gemeinsame Aufgabe des Gebietens des Guten und des Verbietens des Verwerflichen vernachlässigen: Für diese Vernachlässigung werden alle zur Rechenschaft gezogen. Sie können nicht sagen, es wäre nicht ihre Schuld gewesen, und dass es Unrecht wäre sie dafür zu strafen. Da sie alle Muslime waren und gemeinsam in einer Gesellschaft lebten, trugen sie einen Teil der Verantwortung und hätten demnach das Gute gebieten und das Verwerfliche verbieten sollen. Keineswegs hätten sie die Tyrannen und Übeltäter gewähren lassen sollen, die Gesellschaft zu bedrohen. Die Zivilcourage ist ihre gemeinsame Aufgabe. Vernachlässigen sie diese Aufgabe, müssen sie die Folgen tragen.





In diesem Sinne sagt Ibn Al-'Arabî: "Begeht man in der Gesellschaft eine Verwerflichkeit, so ist der Beiwohnende dazu verpflichtet, diese Verwerflichkeit zu bekämpfen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, sündigen beide, sowohl der Erste, als auch der Zweite: der Erste, da er eine Verwerflichkeit verübte und der Zweite, da er mit dieser Verwerflichkeit einverstanden war, indem er nicht dagegen protestierte. Somit sind beide gleich zu betrachten.“





 





Für diesen Vergleich sprechen so viele prophetische Hadîthe, dass sie zu den allumfassenden Gesetzmäßigkeiten Allâhs gehört, worüber Allâh sagt: "Und du wirst in Allâhs Gesetzmäßigkeit keine Änderung finden.“ (Sûra 33:62). Zu diesen Hadîthen, die diese gemeinschaftliche Aufgabe betonen, gehört folgender Hadîth:





 





,Das Gleichnis eines Menschen, der die Gebote Allâhs einhält und desjenigen, der diese missachtet, ist denjenigen gleich, die ihre Plätze auf einem Schiff durch das Los teilten: Einige von ihnen erhielten die oberen Plätze und die anderen die unteren. Es geschah dann, dass diejenigen, die sich unten aufhielten, immer an den Leuten vorbeigehen mussten, die sich oben befanden, um Trinkwasser zu holen. Da sagten diese: »Was haltet ihr davon, wenn wir ein Loch in unsere Koje bohrten und die Leute über uns nicht mehr belästigen? Wenn die Leute (oben) dies zulassen würden, was die anderen zu tun beabsichtigen, so gingen alle zusammen zugrunde und wenn sie sie davon abhielten, so retteten sie sich selbst und alle anderen.“ (Al-Buchârî)





Zu diesem Hadîth meinte Al-Qurtubî: "Dieser Hadîth ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Gesellschaft für die Fehltritte ihrer Individuen haften sollte. Gemäß diesem Hadîth verdient jeder Bestrafung, der die Aufgabe des Gebietens des Guten und des Verbietens des Verwerflichen nicht erfüllt. Die Gelehrten meinen, die Gefahr verübter Übeltaten erstreckt sich auf die ganze Gesellschaft. Noch bedrohlicher wird die Lage, wenn sich diese Übeltaten hemmungslos verbreiten, also niemand diese Verbreitung bekämpft.“





 





Zainab bint Dschahsch  möge Allah mit ihr zufrieden sein berichtete davon, dass der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken  eines Tages aus dem Schlaf auffuhr, indem er sagte: "Mein Gott! Wehe den Arabern! Ein Übel nähert sich ihnen! Heute ist die Mauer von Yâdschûdsch und Mâdschûdsch teilweise eingestürzt!“ Zainab  möge Allah mit ihr zufrieden sein sagte ihm: "O Gesandter Allâhs! Lässt uns Allâh zugrunde gehen, obwohl sich unter uns Fromme befinden?“, "Ja, wenn sich das Übel unter euch ausbreitet!“, erwiderte er. (Al-Buchârî u. Muslim)





 





Eines Tages sammelte Abû Bakr Möge Allah mit ihm zufrieden sein die Muslime und rief: "Ihr Menschen, ihr lest immer diesen Vers: "O die ihr glaubt, wacht über euch selbst! Wer abirrt, kann euch keinen Schaden zufügen, wenn ihr rechtgeleitet seid.(Sûra 5:105) und versteht ihn dennoch nicht richtig. Ich aber hörte den Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken  eines Tages sagen: "An dem Tag, wo die Menschen einen Unterdrücker sehen und ihn nicht daran zu hindern versuchen, wird sie bald die Strafe Allâhs treffen!“ (Alle Sunna-Werke, An-Nasâ'î ausgeschlossen)





 





Ibn Mas'ûd  möge Allah mit ihm zufrieden sein berichtete davon, dass der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken  sagte: "Der allererste Fehler, der unter den Juden gemacht wurde, war, dass einer von ihnen, als er einen anderen traf, sagte: "Fürchte Allâh und unterlasse, was du tust, da es ungesetzlich ist.“ Als er den Fehlgehenden jedoch am nächsten Tag traf und keine Verhaltensänderung festzustellen war, sagte er nichts zu ihm, und nichts hinderte ihn, mit ihm zu essen, zu trinken und in seiner Gesellschaft zu sitzen. So also kehrte Allâh die Herzen dieser ab, wegen ihres Beisammenseins mit anderen (mit schlechtem Herzen).“ Dann rezitierte der Prophet: "Verflucht wurden diejenigen von den Kindern Isrâ'îls, die ungläubig waren, durch den MundDâwûds und 'Îsâs, des Sohnes Maryams. Dies dafür, dass sie sich widersetzten und stets übertraten. Sie pflegten einander nichts Verwerfliches, das sie taten, zu verbieten. Fürwahr, wie schlimm ist, was sie zu tun pflegten! Du siehst viele von ihnen diejenigen, die ungläubig sind, zu Vertrautennehmen. Fürwahr, wie schlimm ist, was sie sich selbst vorausgeschickt haben; (es ist,) dass Allâh ihnen gegenüber Sein Missfallen zeigt; und ewig werden sie in der Strafe bleiben. Wenn sie an Allâh und den Propheten und das, was zu ihm (als Offenbarung) herabgesandt worden ist, glauben würden, hätten sie sie nicht zu Schutzherrengenommen. Aber viele von ihnen sind Frevler.“ (Sûra 5:78-81). Danach sagte er: "Gewiss ist es nicht so, wie ihr denkt. Bei Allâh, ihr werdet das Gute gebieten und das Verwerfliche verbieten und den Übertretern die Hand festhalten und sie überreden, gerecht zu handeln.“ (Abû Dâwûd). Gemäß der Überlieferung von At-Tirmidhî sagte der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken : "Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele ist, entweder ihr gebietet das Gute und verbietet das Verwerfliche, oder Allâh wird gewiss Strafe über euch senden, und dann werdet ihr beten, aber eure Bitten werden nicht erhört werden.“ (hasan).





 





'Adî  möge Allah mit ihm zufrieden sein erzählte, dass er den Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken  eines Tages sagen hörte: "Allâh zieht die Gemeinschaft für die Verwerflichkeiten ihrer Einzelnen nicht zur Rechenschaft, es sei denn, dass sich die Verwerflichkeiten weit verbreiten, obwohl man dazu in der Lage ist, sie zu verbieten, dies jedoch nicht einmal versucht. In diesem Fall zieht Allâh sie alle dafür zur Rechenschaft.“ (Ahmad)





 





Ibn 'Abbâs  möge Allah mit beiden zufrieden sein meinte zum 25. Vers der 8. Sûra: "Und hütet euch vor einer Versuchung, die nicht nur besonders diejenigen von euch treffen wird, die Unrecht taten.“ Folgendes: "Hier weist Allâh die Gläubigen darauf hin, dass sie sich mit dem Verwerflichen nicht einverstanden erklären dürfen, sonst zieht Er sie dafür zur Rechenschaft.“ Der Kommentator Ibn Kathîr billigte die Aussage von Ibn 'Abbâs  möge Allah mit beiden zufrieden sein, indem er sagte: "Dieser Kommentar passt sehr gut.“





 





Diese scheinbare Widersprüchlichkeit könnte man auch anders beheben: man könnte sagen, dass sich die Verse, die die Strafe nur auf den Übeltäter beschränken, sich nur auf die jenseitigen Angelegenheiten beziehen, wozu Verse wie: "Jedermann ist an das, was er erworben hat, gebunden.“ (Sûra 52:21) und "Am Tag, da jede Seele kommt und für sich selbst streitet, und jeder Seele in vollem Maß zukommen wird, was sie getan hat. Und es wird ihnen kein Unrecht zugefügt.“ (Sûra 16:111) gehören. Am Tag der Auferstehung haftet jeder nur für das, was er im Diesseits vollbrachte. Dementsprechend wird jeder Mensch entweder belohnt oder bestraft.





Die Verse, die hingegen von einer allgemeinen Strafe sprechen, beziehen sich auf die diesseitigen Angelegenheiten. In diesem Sinne versteht man folgende Verse: "Hätten aber die Bewohner der Städte geglaubt und wären sie gottesfürchtig gewesen, hätten Wir ihnen bestimmt Segnungen von dem Himmel und der Erde aufgetan. Aber sie erklärten (die Botschaft) für Lüge, und so ergriffen Wir sie für das, was sie erworben hatten.“ (Sûra 7:96) "Allâh prägt das Gleichnis einer Stadt, die Sicherheit und Ruhe genoss; ihre Versorgung kam zu ihr reichlich von überall her. Da wurde sie gegenüber den Gnaden Allâhs undankbar. So ließ sie Allâh das Kleid des Hungers und der Angst erleiden' für das, was sie machten.“ (Sûra 16:112)





 





Für diese Zusammenstellung spricht auch ein Hadîth, den Ibn 'Umar  möge Allah mit beiden zufrieden sein überlieferte, in dem es heißt: Ich hörte den Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken  sagen: "Bestraft Allâh eine Gemeinschaft (im Diesseits), werden alle von dieser Strafe getroffen. Erst im Jenseits werden sie alle auferstehen und gemäß ihrer jeweiligen Absichten und Handlungen zur Rechenschaft gezogen.“ Im Diesseits ist Strafe somit von allgemeiner Natur. Im Jenseits wird sie aber von besonderer Natur sein: Jeder wird nur für seine eigenen Handlungen haften.





 





Dafür spricht auch ein weiterer Hadîth, den 'Âischa  möge Allah mit ihr zufrieden sein überlieferte, in dem es heißt: "Eines Tages beobachtete ich den Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken , der sich im Schlaf auf einmal regte, dass sich seine Hände und Beine bewegten. Ich sagte ihm dann, als er aufgewacht war: "O Gesandter Allâhs, du machtest etwas, was du vorher nie gemacht hattest!“ Er sagte: "Seltsam! Einige meiner Anhänger verfolgen einen Mann der Quraisch, der beim heiligen Haus Zuflucht sucht. Kaum sind sie auf den Weg, lässt Allâh mit ihnen die Erde versinken.“ "O Gesandter Allâhs, es könnte sein, dass unter ihnen viele unschuldige Menschen sind!“, sagte jemand, "Ich weiß, dass Menschen darunter sein könnten, die sogar gezwungen oder unbewusst mit ausziehen. Sie werden aber alle zugrunde gehen. Erst im Jenseits werden sie dann alle gemäß ihrer jeweiligen Absichten und Taten zur Rechenschaft gezogen.“ erwiderte er. (Muslim). Im Diesseits gehen sie alle zugrunde. Im Jenseits haftet jedoch jeder für seine eigenen Absichten und Taten.





 





Alle Menschen sollten sich bemühen, ihre Aufgabe gegenüber der Gemeinschaft zu erfüllen: Sie sollen das Gute gebieten und das Verwerfliche verbieten. Keineswegs dürfen sie die Frevler hemmungslos freveln lassen. Sie sollen diese – so gut sie können – daran hindern zu freveln, sonst sind sie der Strafe Allâhs würdig. Das ist eben der Wille Allâhs: "Du wirst in Allâhs Gesetzmäßigkeit keine Änderung finden, und du wirst in Allâhs Gesetzmäßigkeit keine Abwandlung finden.“ (Sûra 35:43)



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