Dies ist eine Geschichte über Intrigen und Betrug, von Eifersucht, Stolz und Leidenschaft… und es sind nicht die Reichen und die Schönen. Es ist eine Saga der Geduld, der Loyalität, der Tapferkeit und des Erbarmens… und es ist nicht Dr. Phil oder Oprah. Es ist die Geschichte von Josef, möge Gott ihn mit Seinem Lob überschütten. Derselbe Josef ist von der Andrew Lloyd Webber Produktion von Josef und der erstaunlichen Technicolor Dreamcoat, und derselbe Prophet Josef, der aus der christlichen und jüdischen Tradition bekannt ist. Gott offenbarte dem Propheten Muhammad die Geschichte, als ihn ein Israelit bat, ihm zu erzählen, was er über Josef weiss.[1] Normalerweise werden Geschichten im Qur´an in kleinen Stückchen erzählt, und dann über verschiedene Kapitel bekannt gemacht; die Geschichte von Josef ist aber einzigartig. Sie wurde in einem Kapitel offenbart, vom Anfang bis zum Ende. Es ist die vollständige Geschichte und Erfahrung des Propheten Josef. Wir erfahren von Josefs Freuden, Sorgen und Trauer, und bewegen uns mit ihm durch die Jahre seines Lebens, als er sich mit Frömmigkeit und Geduld bewaffnet und am Ende als Sieger hervorgeht. Die Geschichte von Josef beginnt mit einem Traum und endet mit der Erfüllung des Traumes.
“ Wir erzählen dir (o Muhammad) die schönste der Geschichten, indem Wir dir diesen Quran offenbaren, obwohl du zuvor unter denen warst die keine Kenntnis besaßen.” (Quran 12:3)
Josefs Kindheit
Josef war ein Junge, gutaussehend, glücklich und von seinem Vater sehr geliebt. An einem Morgen stand er auf, aufgeregt wegen eines Traumes und rannte geradewegs zu seinem Vater, um ihm glücklich zu erklären, was er in seinem Traum gesehen hatte. Josefs Vater hörte seinem geliebten Sohn aufmerksam zu und sein Gesicht strahlte vor Freude, denn Josef berichtete einen Traum, der eine Prophezeiung enthielt. Josef sagte:
“Damals sagte Josef zu seinem Vater: "O mein Vater, ich sah elf Sterne und die Sonne und den Mond, (und) ich sah sie vor mir niederfallen.” (Quran 12:4)
Josef war einer von 12 Brüdern, deren Vater der Prophet Jakob, der Enkelsohn des Propheten Abraham gewesen ist. Diese Prophezeiung sprach davon, die Botschaft Abrahams den Einen Einzigen Gott anzubeten, aufrecht zu erhalten. Der Enkelsohn des Propheten Abrahams deutete den Traum so, dass Josef derjenige sein wird, der das ‘Licht des Hauses Gottes” tragen wird.[2] Allerding verschwand die Freude, die Jakobs Gesicht hatte erstrahlen lassen, verschwand genauso schnell wieder und er beschwor seinen Sohn, diesen Traum nicht seinen Brüdern zu erzählen. Jakob sagte:
“Er sagte: "Du, mein Söhnchen, erzähle deinen Traum nicht deinen Brüdern, sie werden sonst eine List gegen dich ersinnen; denn Satan ist dem Menschen ein offenkundiger Feind. Und so wird dein Herr dich erwählen und dich die Deutung der Träume lehren und Seine Huld an dir und an dem Geschlecht Jakobs vollenden, so wie Er sie zuvor an zweien deiner Vorväter vollendete, an Abraham und Isaak. Wahrlich, dein Herr ist Allwissend, Allweise."” (Quran 12:5-6)
Jakob wusste, dass seine Söhne (Josefs Brüder) die Auslegung des Traumes oder den Aufstieg Josefs über sie selbst nicht akzeptieren würden. Jakob war vor Angst erfüllt. Die zehn älteren Brüder waren bereits eifersüchtig auf ihren jüngeren Bruder. Sie hatten die besondere Zuneigung ihres Vaters für Josef erkannt. Jakob war ein Prophet, ein Mann, der der Ergebenheit zum Einen Wahren Gott zugetan war und er behandelte seine Familie und seine Gemeinschaft mit Fairness, Respekt und gerechter Liebe; doch sein Herz war den sanften Eigenschaften zugeneigt, die bei seinem Sohn Josef offensichtlich waren. Josef hatte auch noch einen jüngeren Bruder mit Namen Benjamin, der zu dieser Zeit der Geschichte zu jung war, um in das Brauen von List und Täuschung mit einbezogen zu werden.
Während Propheten und rechtschaffene Männer bemüht sind, die Botschaft von der Unterwerfung unter den Willen Gottes zu verbreiten, wartet Satan darauf, die Menschen zu verführen und aufzuhetzen. Er liebt Betrug und Täuschung und säte nun die Saat der Zwietracht zwischen Jakob und seine älteren Söhne. Die Eifersucht, die die Brüder Josef gegenüber fühlten, ließ ihre Herzen erblinden, verwirrte ihr Denken und kleine Dinge unüberwindbar und große Dinge unbedeutend erscheinen. Josef beachtete die Warnung des Vaters und sprach zu seinen Brüdern nicht von seinem Traum; trotzdem wurden sie besessen und überwältigt von ihrer Eifersucht. Ohne von Josefs Traum zu wissen, schmiedeten sie einen Plan, ihn zu töten.
Josef und Benjamin waren die Söhne von Jakobs zweiter Frau. Die älteren Jungen betrachteten sich selbst als Männer. Sie waren älter, sie waren kräftiger und sahen in sich selbst viele gute Eigenschaften. Von Eifersucht erblindet, betrachteten sie Josef und Benjamin als zu jung und ohne Folgen im Leben der Familie. Sie weigerten sich, zu verstehen, warum ihr Vater so vernarrt in sie war. Das schiefe Denken des älteren Bruders ließ sie ihren Vater beschuldigen, fehlgeleitet zu sein, was in Wirklichkeit von der Wahrheit weit entfernt war. Satan ließ ihnen ihre Gedanken als richtig erscheinen und ihre völlige Irreführung zeigte sich deutlich, als sie darüber sprachen, Josef zu töten und sogleich bei Gott diese verabscheuenswürdige Tat bereuten.
“Damals sagten sie: "Wahrlich, Josef und sein Bruder sind unserem Vater lieber als wir, obwohl wir mehrere sind. Unser Vater befindet sich gewiss in einem offenkundigen Irrtum. Tötet Josef oder vertreibt ihn in ein fernes Land; frei (für euch) wird damit das Antlitz eures Vaters, und ihr werdet danach gute Leute sein.” (Quran 12:8-9)
Einer von ihnen fühlte den Irrtum in ihren Wegen und schlug vor, Josef lieber in einen Brunnen zu werfen. Wenn er von ein paar vorüberziehenden Reisenden gefunden wurde, würden ihn diese als Sklaven verkaufen, was ihn für die Familie so gut wie tot erscheinen ließe. Sie glaubten in ihrer Blindheit, dass die Abwesenheit von Josef ihn aus den Gedanken seines Vaters entfernen würde. Die Brüder brüteten weiter ihren bösen Plan aus. Satan spielte mit ihnen, flüsterte ihnen Gedanken in ihre Köpfe und Irreführung in ihre Ohren ein. Die Brüder beendeten ihre Diskussion zufrieden mit sich selbst und sie dachten, sie hätten einen cleveren Plan ausgeheckt. Sie näherten sich Jakob mit einem Plan, Josef mit in die Wüste zu nehmen, unter dem Vorwand, ihn spielen und sich vergnügen zu lassen. Angst ergriff Jakobs Herz.
Die Geschichte von Josef bestätigt bedingungslos, dass Gott die Kontrolle über alle Dinge hat. Der Verrat und die Täuschung von Josefs Brüdern hatte nur den Erfolg, Josef für die großartige Rolle vorzubereiten, die er letztendlich erreichen sollte. Josefs Geschichte beschreibt die Allmacht Gottes und gibt einen genauen Bericht über Seine Macht und Vorherrschaft. Die Geschichte fängt mit einem Verrat an, aber sie endet mit Trost und Freude. Eine angemessene Belohnung für die Geduld und die gänzliche Ergebenheit in den Willen Gottes, die Josef während seiner langen Reise, auf der er mit den Intrigen und dem Verrat der Menschen um ihn herum konfrontiert wird, beweist.
Die Geduld, die Josef durch sein Martyrium lernte, hat ihn zu einem der rechtschaffensten Männer gemacht. Seine Abstammung war tadellos, sein Urgroßvater, Großvater und sein Vater waren ebenfalls Propheten gewesen. In den christlichen und jüdischen Traditionen sind diese Männer als Abraham, Isaak und Jakob bekannt.
Verrat und Täuschung
Als Jakobs älteren Söhne um die Erlaubnis baten, um Josef mit tief in die Wüste zu nehmen, um zu spielen, befiel Angst Jakobs Herz. Von ihren ersten Worten an ahnte er einen Verrat und er drückte seine Angst aus, indem er sagte, er fürchte, der Wolf könnte Josef fressen. Jakob sagte:
“Er sagte: "Es macht mich traurig, wenn ihr ihn mit fortnehmt, und ich fürchte, der Wolf könnte ihn fressen, wenn ihr nicht auf ihn achtgebt.” (Quran 12:13)
Satan arbeitet auf subtile und hinterlistige Weise und mit diesen Worten hat Jakob unwillentlich seine Söhne mit dem perfekten Grund für Josefs Verschwinden versorgt. Die Brüder wussten sogleich, dass sie einen Wolf für Josefs Verschwinden verantwortlich machen würden und dies wurde Teil ihres heimtückischen Planes. Schließlich stimmte Jakob zu und Josef ging mit seinen Brüdern auf die Reise in die Wüste.
Sie gingen direkt zum Brunnen und ohne Gewissensbisse nahmen sie Josef und warfen ihn in den Brunnen. Josef weinte aus Angst, aber ihre grausamen Herzen empfanden kein Mitleid für ihren Bruder. Die Brüder fühlten sich sicher mit ihrem Plan, dass ein Reisender Josef finden und als Sklaven verkaufen würde. Während Josef vor Schrecken schrie, nahmen seine Brüder eine kleine Ziege oder ein kleines Schaf aus ihrer Herde, schlachteten es und strichen das Blut über eines von Josefs Kleidern. Vollständig von ihrer Eifersucht eingenommen, schworen die Brüder einen Eid, dass sie ihre schlechte Tat geheim halten würden und gingen zufrieden mit sich Selbst davon. Verängstigt klammerte sich Josef an einen Felsvorsprung im Brunnen, und Gott ließ ihn wissen, dass er eines Tages damit seine Brüder konfrontieren würde. Er teilte Josef mit, dass der Tag kommen würde, an dem er mit seinen Brüdern über dieses heimtückische Ereignis sprechen wird, doch die Brüder werden nicht wissen, dass es Josef ist, der mit ihnen spricht.
“Du wirst ihnen diese ihre Tat dereinst sicherlich verkünden, ohne dass sie es merken.” (Quran 12:15)
Weinen ist kein Beweis für Wahrheit.
Die Brüder kehrten weinend zu ihrem Vater zurück. Zu dieser Zeit war es dunkel und Josef saß ängstlich zuhause und wartete auf die Rückkehr Josefs. Das Weinen der zehn Männer bestätigte seine tiefsten Befürchtungen. Die Dunkelheit der Nacht entsprach der Dunkelheit ihrer Herzen. Die Lügen kamen ihnen leicht von der Zunge und Jakobs Herz verengte sich aus Angst.
“Sie sagten: "O unser Vater, wir liefen miteinander um die Wette und ließen Josef bei unseren Sachen zurück, und da hat ihn der Wolf gefressen; du wirst uns doch nicht glauben, auch wenn wir die Wahrheit; aussprechen." Und sie hatten falsches Blut auf sein Hemd gebracht. Er sagte: "Nein, ihr habt das geplant. Doch schön geduldig sein. Und Gott sei um Hilfe wider das gebeten, was ihr beschreibt." (Quran 12:17-18)
In einer Geschichte von den rechtschaffenen Männern, die nach dem Propheten Muhammad kamen, gibt es die Geschichte von einem muslimischen Richter, der den Fall von einer alten Frau entschied. Die Einzelheiten des Falls sind nicht wichtig; aber die alte Frau weinte und weinte. Aufgrund der Beweise entschied der Richter gegen sie. Ein Freund des Richters sagte: „Sie weinte und weinte, sie ist alt, warum glaubtest du ihr nicht?“ Der Richter sagte: „Weißt denn du nicht aus dem Qur´an, dass Weinen kein Beweis für die Wahrheit ist; die Brüder von Josef kamen auch weinend zu ihrem Vater.“ Sie weinten, aber sie haben das Verbrechen begangen.
Sowohl Jakob als auch Josef waren von den edelsten Männern. Der Prophet Muhammad beschrieb Josef als den würdevollsten und großzügigsten der Männer. Als er gefragt wurde, wer der gottesfürchtigste Mann gewesen ist, antwortete er: „Der ehrenwerteste Mensch war Josef, der Prophet Gottes, Sohn des Propheten Gottes, des Sohnes des geliebten Diener Gottes (Abraham).”[1] Während Josef in dem Brunnen saß, verängstigt, doch sicher in seiner Ergebenheit Gottes, fühlte Jakob, viele Meilen entfernt, wie sich sein Herz zusammenzog vor Furcht und vor Schmerzen, denn er wusste, dass seine Söhne lügen. Wie es zu einem Propheten Gottes passt, sagte Jakob während ihm die Tränen über das Gesicht liefen:
“Nein, ihr habt das geplant. Doch schön geduldig sein. Und Gott sei um Hilfe wider das gebeten, was ihr beschreibt.” (Quran 12:18)
Dies war ein Dilemma für Jakob: was sollte er tun? Er wusste, dass seine Söhne logen, aber was hatte er für eine Wahl? Seine Söhne zu töten? Aufgrund seiner vollständigen Gottergebenheit wusste Jakob, dass die Angelegenheit nicht in seinen Händen lag. Er hatte keine andere Wahl, als auf Gott zu vertrauen und sich Ihm mit Hoffnung und Geduld zuzuwenden.
Tief unten im Brunnen betete Josef. Vater und Sohn wandten sich in der tiefen Dunkelheit der Nacht zu Gott. Eine Mischung aus Furcht und Hoffnung erfüllte ihre Herzen, und die Nacht wich einem neuen Tag. Für Jakob bedeutete diese Morgendämmerung den Anfang zahlloser Jahre, die von Vertrauen in Gott und Geduld gekennzeichnet waren. Für Josef schienen die Sonnenstrahlen auf den Rand des Brunnens. Wenn er den Horizont hätte sehen können, hätte er eine Karawane gesehen, die sich näherte. .Minuten später ließ ein Mann seinen Eimer in die Tiefe des Brunnens hinunter in der Erwartung kühlen Wassers.
Durch die Einflüsterungen Satans irregeführt, und mit Eifersucht und Stolz erfüllt, täuschten die Brüder ihren Vater Jakob und verrieten ihren jüngeren Bruder. Von seinen älteren Brüdern in den Brunnen geworfen, klammerte sich Josef, der geliebte Sohn des Propheten Jakob, die lange Nacht an einen Felsenvorsprung und versuchte, sein Vertrauen in Gott zu setzen. Die Zeit verging langsam und die Hitze der Morgensonne brannte heiß auf die ausgetrocknete Erde. Später am Tag näherte sich eine Karawane, die nach Ägypten reiste, dem Brunnen.
Als die Karawane ankam, gingen die Reisenden ihrem Geschäft nach, einige banden die Kamele an, andere versorgten die Pferde, ein paar luden ab und andere bereiteten Essen vor. Der Wasserträger ging zum Brunnen und ließ seinen Eimer herunter, in glücklicher Erwartung kühlen, klaren Wassers. Josef erschrak, als der Eimer auf ihn zukam, doch bevor er ins Wasser fiel, griff er nach ihm und klammerte sich Seil. Überrascht wegen des Gewichts des Eimers spähte der Mann über den Rand des Brunnens. Er war erschrocken und aufgeregt, als er das Kind sah, das sich an das Seil klammerte. Der Mann rief seine Gefährten zur Hilfe, um das Kind aus dem Brunnen zu ziehen und alle waren erstaunt, als sie dieses hübsche Kind sahen, das noch nicht ganz ein Jugendlicher war, als es vor ihnen stand.
Auf den Jungen schauend, konnte der Wasserträger seine Aufregung nicht verstecken, und er schrie laut: “O Glücksbotschaft!” (Quran 12:19) Der Mann war hocherfreut; er beschloss sogleich, Josef zu verkaufen, wohlwissend, dass er eine Menge Geld auf dem Sklavenmarkt für ihn erhalten würde. Genau wie es seine Brüder vorausgesagt hatten, nahmen die Männer von der Karawane Josef mit nach Ägypten, in der Erwartung, ihn für einen hohen Preis zu verkaufen. Die Sklavenmärkte in Ägypten wimmelten von Menschen, einige kauften und andere verkauften, wieder andere schauten nur den Vorgängen zu. Der hübsche Junge, der in dem Brunnen gefunden worden war, zog zahlreiche Blicke auf sich und das Bieten um ihn ging schnell. Der Preis stieg weit über ihre Erwartungen hinaus und Josef wurde schließlich von Aziz, dem obersten Minister, ersteigert.
Allerdings teilt uns Gott im Qur´an mit, dass sie ihn zu einem niedrigen Preis verkauft haben, (12:20). Dies scheint keinen Sinn zu ergeben, denn die Männer der Karawane jubelten über den Preis, den sie erzielten. Gott beschreibt den Preis als niedrig, weil Josef tatsächlich mehr wert war, als sie es sich jemals vorstellen konnten. Die Männer begriffen einfach nicht, zu welch einem Mann dieses Kind einmal heranwachsen würde. Sie glaubten, dass er, obwohl er hübsch war, Josef unbedeutend sei. Nichts hätte von der Wahrheit weiter entfernt sein können, wenn sie ihn für sein Gewicht in Gold verkauft hätten, wäre es noch ein geringer Preis für den Mann gewesen, der zu Josef, den Propheten Gottes heranwachsen würde.
Im Haus von Aziz
Der oberste Minister, Aziz, spürte sofort, dass dies kein gewöhnliches Kind war. Er nahm ihn mit nach Hause, in eines der größten Schlösser Ägyptens und sagte zu seiner Frau:
“‘Nimm ihn freundlich auf. Vielleicht kann er uns einmal nützlich werden, oder wir nehmen ihn als Sohn an.´ Und so gaben Wir Josef Macht im Land, und Wir lehrten ihn (auch) die Deutung der Träume.” (Quran12:21)
Gott hat Josef in dem Haus der zweitwichtigsten Person Ägyptens eingesetzt. Der oberste Minister Aziz war mehr als nur ein Premierminister, er war auch der Schatzmeister Ägyptens. Gott hat Josef in dem Land eingesetzt, um ihm Weisheit und Verständnis zu lehren. Die Anstrengungen und das Streben erforderte von Josef, die Trennung von seinem Vater und seiner Familie zu überwinden, die Tatsache, von seinen älteren mutmaßlich beschützenden Brüdern verraten worden zu sein, die Tortur in dem Brunnen und die Demütigung, in die Sklaverei verkauft worden zu sein; all diese Prüfungen dienten dazu, Josefs Charakter zu formen. Sie waren die ersten Stufen auf der Leiter zur Großartigkeit. Gott benutzte die Hinterlist der Brüder, um Seinen Plan für Josefs Einsetzung als ein Prophet Gottes durchzuführen.
Josefs Brüder glaubten, sie hätten die Dinge unter Kontrolle, als sie ihren Bruder in den Brunnen warfen, aber in Wirklichkeit lag die Angelegenheit überhaupt nicht in ihren Händen. Gott ist Derjenige, der alles kontrolliert. Gott war entscheidend in Seinen Taten und Sein Plan wurde ausgeführt, trotz der Hinterlist, Eifersucht und dem Stolz der anderen. Josef fand sich selbst mitten in Ägypten wieder bei einem Mann, der freundlich zu sein schien und irgendwie der besonderen Qualitäten Josefs bewusst war. Während er sich nach seinem Vater und seinem Bruder Benjamin sehnte, wurde Josef gut versorgt, und er lebte in luxuriöser Umgebung. Josef wuchs im Haus des Aziz zu einem Mann heran und Gott gewährte ihm ein gutes Urteilsvermögen und Wissen.
“Und als er zum Mann heranwuchs, verliehen Wir ihm Weisheit und Wissen. Und so belohnen Wir diejenigen, die Gutes tun.” (Quran12:22)
Gott gewährte Josef sowohl Weisheit als auch Wissen. Nicht nur eine, sondern beide Qualitäten. Ihm wurde die Fähigkeit zu verstehen gegeben und die Fähigkeit, ein gutes Urteil zu fällen, wenn er sein Wissen anwandte. Dies ist nicht immer der Fall. Es gibt zahlreiche Menschen in der Weltgeschichte, bis zum heutigen Tag und heute immer noch, die Wissen besitzen, aber die nicht die Fähigkeit besitzen, ein Urteil zu fällen oder das Wissen auf effektive Art und Weise anzuwenden.
Einer der größten Gelehrten des Islam, Abu Hanifa, hielt regelmäßig Lernkreise ab, in denen ein Thema zur Debatte gestellt wurde. Das Thema wurde diskutiert und Meinungen wurden abgegeben, dann hat Abu Hanifa einen endgültigen Urteilsspruch abgegeben. Diese Art zu Lehren war einzigartig in jener Zeit. In diesem Lernzirkel gab es einen Gelehrten der Aussprüche des Propheten Muhammad; er rezitierte einen, den Abu Hanifa noch nie zuvor gehört hatte. Genau zu dieser Zeit, näherte sich eine Frau dem Kreis, um eine Frage zu stellen. Der Gelehrte antwortete, dass er die Antwort nicht wisse, aber Imam Abu Hanifa war in der Lage, die Frage zu beantworten. Er wandte sich dann den Teilnehmern des Lernkreises zu und sagte: „Ich kenne die Antwort aus dem Hadith, den unser Bruder gerade erwähnt hat.“ Daher ist es möglich, Wissen zu haben, aber nicht zu wissen, wie man es anwenden soll. Dem Propheten Josef wurde ebenso wie allen anderen Propheten Gottes das Wissen und die Weisheit gegeben, zu verstehen und es anzuwenden.
Obwohl er verraten und in die Sklaverei verkauft worden war, lebte Josef, der Sohn des Propheten Jakob, in einem der größten Häuser Ägyptens. Sein Herr, Al Aziz, der oberste Minister Ägyptens, schwor, Josef freundlich zu behandeln, und Josef, der dankbar für die relative Sicherheit war, antwortete, dass er seinem neuen Herrn gegenüber treu sein würde. Er dankte Gott dafür, dass er seine Situation wieder gutgemacht und ihn an eine Stelle gesetzt hat, die frei von schlechter Behandlung und Missbrauch war. Josef war von der Position des geliebten Sohnes in dunkle Tiefe des Brunnens, von den Eisenfesseln zu einer Position der Erleichterung gelangt. Josefs Leben drehte und wendete sich, aber das Haus Al Aziz war es, wo er das Mannesalter erreichte.
Die Gelehrten des Islam schätzen, dass Josef etwa 14 Jahre alt war, als er von seinen Brüdern verraten wurde. Imam Ibn Katheer, einer der angesehensten Qur´an-Gelehrten, erklärte in seinem Werk “Stories of the Prophets (Geschichten der Propheten)”, dass Josef höchstwahrscheinlich der persönliche Diener von Al Aziz Ehefrau gewesen ist. Ibn Katheer beschrieb Josef als gehorsam, höflich und außerordentlich gutaussehend. Der Prophet Muhammad beschrieb Josef ebenfalls und nannte ihn: “Die Verkörperung der Hälfte aller Schönheit.”[1]. Als Josef heranwuchs, gab Gott ihm Weisheit und gutes Urteilsvermögen und der oberste Minister Al Aziz erkannte diese guten Eigenschaften an seinem treuen Diener und aus diesem Grund machte ihn zum Verantwortlichen für die gesamten Haushaltsangelegenheiten. Alle, die ihn kannten, Al Aziz´ Ehefrau eingeschlossen, bestätigten Josefs Schönheit, Ehrlichkeit und Stattlichkeit. Sie beobachtete, wie Josef zu einem gut-aussehenden Mann heranwuchs und fühlte sich mit jedem Tag, der verging, mehr zu ihm hingezogen.
Die Versuchung
“ Und sie (die Frau), in deren Haus er war, versuchte ihn zu verführen gegen seinen Willen; und sie verriegelte die Türen und sagte: "Nun komm zu mir!” (Quran 12:23)
Die hübsche Frau von Al Aziz schloss die Türen und versuchte, den Sklaven Josef zu verführen, aber er widerstand ihren Annäherungen und suchte Zuflucht bei Gott. Er suchte Hilfe bei Gott. Josef sagte ihr, er würde ihren Ehemann nicht betrügen. Josef sagte: “Er war gut zu mir und behandelte mich mit Respekt.” Josef wusste, dass diejenigen, die schlimme Taten begehen, nie erfolgreich sein werden. Die Frau von Al Aziz hatte ein schlimmes Verlangen und versuchte, danach zu trachten; Josef aber widerstand der Versuchung und versuchte zu fliehen. Der Prophet Muhammad sagte uns, dass wenn du die Absicht hast, eine böse Tat zu begehen, und du führst diese Tat tatsächlich durch, dann wird Gott sie als eine schlechte Tat niederschreiben. Wenn du allerdings daran denkst, eine böse Tat zu begehen und dann tust du sie aber nicht, dann wird Gott sie als eine gute Tat niederschreiben.[2]
Josef schlug sich jeden Gedanken daran, mit der Frau seines Herrn zu schlafen, aus dem Kopf, er suchte Zuflucht bei Gott und versuchte, sich aus der komplizierten Situation zu befreien. Vielleicht hatte Josef ihren Annäherungen viele Jahre widerstanden. Eine reiche schöne Frau aus den höchsten Rängen der ägyptischen Gesellschaft wird sich einem solches Verhalten nicht sofort beugen. Ihre Schönheit, ihre Stellung und ihr Reichtum machten, dass die meisten Männer oder Jungen ihren Wünschen leicht erliegen würden. Josef war aber kein gewöhnlicher Mann, und als er sich sofort Gott um Hilfe bittend zuwandte, rettete Gott ihn.
“Und sie begehrte ihn (und) auch er hätte sie begehrt, wenn er nicht ein deutliches Zeichen von seinem Herrn gesehen hätte. Das geschah, um Schlechtigkeit und Unsittlichkeit von ihm abzuwenden. Wahrlich, er war einer Unserer auserwählten Diener.” (Quran 12:24)
Josef ist einer der Führer von denen, denen Gott am Tag des Gerichts Schatten spenden wird. Der Prophet Muhammad erklärte, dass die Hitze am Tag des Gerichts heftig sein wird und die Menschen werden sich vor Angst vermischen, wenn sie darauf warten, von Gott gerichtet zu werden. Es wird allerdings bestimmte Gruppen von Menschen geben, denen bei dieser schlimmen Hitze Schatten gespendet wird. Einer von diesen ist ein Mann, der den Versuchungen einer schönen, begehrenswerten Frau widerstanden hat, indem er Zuflucht bei Gott gesucht hat.[3]
Josefs Weigerung hat ihre Leidenschaft nur verstärkt. Er versuchte zu fliehen und sie rannten zur Tür. Al Aziz´ Frau ergriff Josefs Hemd und zerriss es von hinten. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ihr Ehemann trat ein. Sogleich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, versuchte Al Aziz´ Frau die Situation umzukehren. Sie schrie: „Was soll der Lohn desjenigen sein, der gegen deine Familie etwas Böses plante?” Das war eine offenkundige Lüge, auch wenn sie sie leicht aussprach und vorschlug, Josef ins Gefängnis zu werfen. Josef versuchte, sich zu verteidigen und sagte: „Sie war es, die mich gegen meinen Willen zu verführen suchte.”. (Quran 12:25 – 26) Einer ihrer Verwandten tauchte plötzlich auf und bot einen Weg, um das Dilemma zu lösen. Er sagte:
“Wenn sein Hemd vorne zerrissen ist, dann hat sie die Wahrheit gesprochen und er ist ein Lügner.” (Quran 12:27 – 28)
Wenn sein Hemd von hinten gerissen ist, wie es der Fall war, bedeutet das, dass er versucht hat, ihr zu entkommen, und sie ist hinter ihm her gerannt und hat von hinten sein Hemd zerrissen. Der Beweis war untrüglich. Der oberste Minister war, obwohl er deutlich verärgert war, mehr darum besorgt, diese Angelegenheit zu vertuschen. Er wollte nicht, dass sein guter Name und seine Position von einem Skandal besudelt werden. Er bat Josef, über die Sache Stillschweigen zu bewahren und wies seine Frau an, Gott um Vergebung zu bitten. Dies sollte der Sache ein Ende setzen, aber wie es in der reicheren Gesellschaft üblich ist, haben die Menschen viel Zeit zur Verfügung. Viele Stunden werden damit verbracht, Essen zu geben und über die Angelegenheiten von Freunden, Nachbarn und Verwandten herzuziehen.
Die Frauen
Die Frauen der Stadt fingen an, über die Frau von Al Aziz und ihre Vernarrtheit in ihren Sklaven Josef zu reden. Die Nachricht verbreitete sich und die Frauen fragten sich, wie es ihr nach einem Sklaven verlangen konnte, so dass sie ihren Ruf damit in Gefahr brachte. Al Aziz´ Frau dachte, sie wollte diesen Frauen eine Lehre erteilen und ihnen einfach zeigen, wie gutaussehend und begehrenswert Josef war. Sie lud sie zum Essen ein, deckte einen wunderschönen Tisch für sie und gab ihnen Messer, um das Essen zu schneiden. Der Raum war vielleicht voller Spannung und stillen Blicken denn die Frauen erhofften, einen Blick auf diesen Sklaven werfen zu können, während sie sich natürlich für besser hielten, als die Frau von Al Aziz. Die Frauen begannen zu essen, und in diesem Moment kam Josef in den Raum. Sie blickten auf, sahen seine Schönheit und vergaßen, dass sie Messer in ihren Händen hielten. Die Frauen waren von seiner Gestalt und Figur so hingerissen, dass sie sich in ihr eigenes Fleisch schnitten. Sie beschrieben Josef als edlen Engel. Al Aziz´ Frau sagte selbstbewusst und stolz zu ihren Gästen:
“Und dieser ist es (der junge Mann), um dessentwillen ihr mich getadelt habt. Ich habe allerdings versucht, ihn gegen seinen Willen zu verführen, doch er bewährte sich. Wenn er nun nicht tut, was ich ihm befehle, so soll er unweigerlich ins Gefängnis geworfen werden und einer der Gedemütigten sein.” Quran 12:32)
Was sollte aus Josef werden? Wieder einmal wandte er sich voller Demut zu Gott, sagte, dass er das Gefängnis dem Erliegen der Wünsche der Frauen bevorzuge. Deshalb antwortete sein Herr auf sein Bittgebet.